REPLIK VOM 8.3.2013 VON ANDREAS MEYER AUF DAS SCHREIBEN DES VORSTANDSMITGLIEDS DER 11. ANTSPERIODE, HERR RECHTSANWALT KARL SCHUCHT, VOM 22.2.2013
Das nachfolgende Replik vom 8.3.2013 versandte Andreas Meyer als Antwort auf das Schreiben des Vorstandsmitglieds der 11. Amtsperiode der Conterganstiftung, Herr RA Karl Schucht, vom 22.2.2013 an das Sekretariat des Familienausschusses mit der Bitte, das Schreiben an die Mitglieder des Familienausschusses weiterzuleiten.
Herr RA Karl Schucht teilte am 11.09.2013 mit, dass es sich bei seinem Schreiben vom 22.02.2013 um eine persönliche Erklärung seinerseits handele.
Das Sekretariat des Familienausschusses hat Andreas Meyer am 11.3.2013 schriftlich bestätigt, dass seine Replik vom 8.3.2013 an sämtliche Ausschussmitglieder weitergeleitet wurde.
Die Replik von Andreas Meyer vom 8.3.2013 können Sie hier als PDF-Datei herunterladen:
Neben dem Download finden Sie hier eine Abschrift der Replik von Andreas Meyer vom 8.3.2013:
„08.03.2013
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Betrifft: Schreiben vom 22. Februar 2013 des Vorstands der Conterganstiftung zur öffentlichen Anhörung im Familienausschuss am 01.02.2013
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten,
zum Schreiben vom 22. Februar 2013 des Vorstands der Conterganstiftung zur ÖA im Familienausschuss am 1.2.2013 möchte ich wie folgt Stellung nehmen:
30 Jahre Einblick der Firma Grünenthal in die medizinischen Unterlagen der Conterganopfer
Vom 6.12.1972 bis zum 31.12.2003 war Herr Rechtsanwalt Herbert Wartensleben als Vorsitzender einer der beiden Medizinischen Kommissionen der Conterganstiftung tätig.
Bis zum 1.1.2004 hatte die Conterganstiftung 2 medizinische Kommissionen.
Dadurch hatte Herr Wartensleben Einblick in medizinischen Unterlagen der Conterganopfer, welche der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung zur Verfügung standen.
Herr Wartensleben war zum Zeitpunkt des Conterganstrafprozesses Leiter der Rechtsabteilung der Firma Grünenthal und zu mindestens zum Zeitpunkt seiner Bestellung als Vorsitzender einer der beiden Medizinischen Kommissionen der Conterganstiftung durch den Stiftungsrat der Conterganstiftung am 6.12.1972 noch Parteivertreter für die Firma Grünenthal zum Thema Contergan.
Dieses war der Rechtsaufsicht der Conterganstiftung und damit auch dem Bundesfamilienministerium jahrzehntelang bekannt.
Dies dürfte wohl auch dem derzeit amtierenden Vorstandsmitglied, Herrn Karl Schucht, bekannt gewesen sein, weil er zum 1. Januar 2004 Herrn Wartensleben als Vorsitzender der medizinischen Kommission der Conterganstiftung ablöste. Ein Vorstandsamt in der Conterganstiftung bekleidete Herr Schucht erst ab dem Jahr 2009.
Seit 1972 trat Herr Wartensleben immer wieder als Parteivertreter für die Firma Grünenthal zum Thema Contergan auf. Zuletzt war Herr Wartensleben 2007 Parteivertreter der Firma Grünenthal in der Auseinandersetzung mit dem WDR um den Conterganspielfilm.
Übernahme der Kosten der Medizinischen Kommissionen durch Grünenthal
Zu diesem Themenkomplex möchte ich gerne aus einem Schreiben der Firma Grünenthal an die Conterganstiftung vom 5.3.1973 zitieren:
„Kosten der ärztlichen Kommissionen
Sehr geehrte Herren!
Wir danken für Ihre Anfrage vom 8. Februar 1973.
Entsprechend der Ihnen bekannten Vereinbarung mit der Bundesregierung bestätigen wir Ihnen, dass wir die in Ihrem Schreiben vom 8. Februar 1973 aufgeführten Kosten der medizinischen Gutachtern übernehmen werden.“
Das Schreiben wird unterzeichnet mit Dr. Franz Wirtz und (ppa.) Herbert Wartensleben.
Des weiteren geht eine Übernahme der Kosten der Medizinischen Kommission durch die Firma Grünenthal aus den Haushaltsplänen der Conterganstiftung hervor:
Dort wurde die Kostenübernahme der Medizinischen Kommission durch Grünenthal als durchlaufender Posten aufgeführt.
Ich zitiere aus dem Titel 1.1.4. der Einnahmenseite des Haushaltsplans 2004:
„Es handelt sich um einen durchlaufenden Posten, weil sich die Firma Grünenthal GmbH bereiterklärt hat, diese Kosten zu übernehmen.“
Auf der Ausgabenseite heißt es unter dem Titel 1.2.6.1:
„Kosten der Medizinischen Kommission
Ein direkter Zusammenhang besteht mit dem Einnahmetitel1.1.4. Es handelt sich um einen durchlaufenden Posten, da die Ausgaben von der Firma Grünenthal GmbH erstattet werden.“
Vom Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes an bis heute bedürfen die Haushaltspläne der Conterganstiftung der Genehmigung des Bundesfamilienministeriums.
Befürwortung des Vertrages mit Grünenthal zur Übernahme der Kosten der Medizinischen Kommission
Unzweifelhaft gibt es eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Stiftung und der Firma Grünenthal vom 18.4.2005, auf deren Grundlage die Firma Grünenthal rückwirkend zum 1.1.2004 an die Stiftung eine jährliche Pauschalzahlung zur Finanzierung der Kommissionskosten zahlt.
Wie oben bereits dargestellt, hatte die Firma Grünenthal über Jahrzehnte hinweg regelmäßig Zahlungen an die einzelnen Mitglieder der Medizinischen Kommission direkt ausgeschüttet. Da diese Form der Interessen gesteuerten „Landschaftspflege“ der Firma Grünenthal offensichtlich ausartete, haben die ehemalige Stiftungsvorsitzende, Frau Schmidt-Zadel, und das ehemalige Vorstandsmitglied, Herr Dr. Breuer, in dankenswerter Weise zu mindestens durch den Abschluss des oben erwähnten Vertrages und die Erstellung einer Kostenordnung für die medizinische Kommission für eine seitens des Stiftungsvorstandes kontrollierbare Lösung gesorgt, die eine Gefahr der Einflussnahme durch die Firma Grünenthal auf die Mitglieder der Medizinischen Kommission einigermaßen eindämmte.
Auf meiner ersten Stiftungsratssitzung am 17.12.2009 nach meinem Amtsantritt habe ich versucht zu beantragen, dass dieser Vertrag zwischen der Stiftung und der Firma Grünenthal gekündigt wird.
Als Begründung für meinen Antrag habe ich u.a. auf die mit der Einladung versandten Anlagen zur Verabschiedung des vorgelegten Haushaltsplanentwurfs Bezug genommen, aus denen hervorging, dass seinerzeit das Bundesfamilienministerium mit der Firma Grünenthal Verhandlungen über eine höhere Pauschalzahlung von jährlich 160.000 € führt. Demgegenüber muss aber spätestens durch das Inkrafttreten der Conterganstiftungsgesetzes am 25.6.2009 gemäß § 4 Abs. 1 Nummer 1 des Conterganstiftungsgesetzes der Bund die Kosten der Stiftungsverwaltung und damit die im Haushaltsplanentwurf 2010 veranschlagten Kosten der Medizinischen Kommission in Höhe von jährlich 160.000 € selbst übernehmen, weswegen der zur Verabschiedung vorgelegte Haushaltsplanentwurf Gefahr läuft, rechtswidrig sein zu können. Im Übrigen könnte ja die Firma Grünenthal einen jährlichen Betrag in Höhe von 160.000 € für den Bereich der Sonderzahlungen spenden, womit den Conterganopfern eher geholfen würde. Auf Initiative des Stiftungsratsvorsitzenden, Herrn Dieter Hackler (Bundesfamilienministerium), wurde mein Antrag nicht zur Entscheidung angenommen, weil „dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung stehe“.
Als Beleg für den gesamten Vorgang verweise ich auf das Protokoll der 79. Sitzung des Stiftungsrates vom 17.12.2009 sowie meine als Anlage zu diesem Protokoll gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 der Geschäftsordnung des Stiftungsrates verfasste abweichende Meinung.
Auf der 80. Sitzung des Stiftungsrates vom 18. Februar 2010 stellte ich meinen Antrag auf Kündigung des Vertrages mit der Firma Grünenthal unter TOP 7 Änderung der Kostenordnung der Medizinischen Kommission erneut.
Mein Antrag wurde mit der Mehrheit der Regierungsvertreter im Stiftungsrat und einer Enthaltung abgelehnt.
Als Beleg für diesen Vorgang verweise ich auf das Protokoll der 80. Sitzung des Stiftungsrates vom 18. Februar 2010.
Das Vorstandsmitglied der Conterganstiftung, Karl Schucht, war auf beiden Sitzungen anwesend.
Nach § 7 Abs. 5 S. 1 des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 führt der Stiftungsvorstand die Beschlüsse des Stiftungsrates aus und führt die Geschäfte der Conterganstiftung.
Nach § 4 des Vertrages mit der Firma Grünenthal vom 18.4.2005 zur Finanzierung der Kommissionskosten endet der Vertrag am 31.12.2008. Zudem verlängert sich der Vertrag jeweils um ein Jahr, wenn keine der Vertragsparteien den Vertrag mit einer Frist von 6 Monaten zum jeweiligen Ablaufdatum kündigt.
Bis heute hat sich weder Frau Blumenthal noch Herr Schucht gegen die obigen Beschlüsse des Stiftungsrates oder für eine Kündigung des Vertragsverhältnisses mit der Firma Grünenthal zur Übernahme der Kosten der Medizinischen Kommission ausgesprochen.
Vorwurf Geldwäsche
Zu keinem Zeitpunkt habe ich auf der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am 1.2.2013 die Behauptung aufgestellt, die Conterganstiftung habe von der Firma Grünenthal Geld erhalten, welches an Herrn Dr. Graf weitergeleitet worden sei. Auch habe ich nicht behauptet, dass dieser Weg gewählt worden sei, um Korruptionsvorwürfen entgegenzuwirken. Auch habe ich nicht die Behauptung aufgestellt, die Conterganstiftung habe sich offensichtlich dazu instrumentalisieren lassen, Geld zu waschen.
Ich habe nur eine Stelle aus einem Protokoll einer Sitzung des Stiftungsvorstandes vom 8.12.2010 zitiert und dieses Zitat zum Verständnis des Auditoriums noch einmal verdeutlichend erläutert.
Gerne bin ich dazu bereit, das Zitat an dieser Stelle erneut wiederzugeben:
„Frau Fusenig hat in Aussicht gestellt, dass diese Kosten evtl. durch die Firma Grünenthal übernommen werden könnten. Um evtl. Korruptionsvorwürfen entgegenzuwirken, würde die Firma Grünenthal das Geld nicht direkt an Herrn Dr. Graf zahlen, sondern die Kostenerstattung sollte über die Stiftung erfolgen.“
Ich habe auf der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am 1.2.2013 verdeutlichend erläutert:
„Ich wiederhole nochmal, um Korruptionsvorwürfen entgegenzuwirken, zahlte Grünenthal diese Kosten an die Stiftung und nicht an Dr. Graf. Das heißt, dass sich die Conterganstiftung offensichtlich dazu instrumentalisieren ließ, Geld zu „waschen“.
Herr Schucht behauptet nun seinerseits in seinem Schreiben an die Ausschussmitglieder vom 22. Februar 2013 richtig stellend, „dass der Vorstand dem Angebot der Firma Grünenthal nicht gefolgt ist und die Conterganstiftung zu keiner Zeit von der Firma Grünenthal Geld angenommen hat, um dieses an Herr Dr. Graf weiterzuleiten“.
Den Ausführungen von Herrn Schucht entnehme ich zweierlei:
1. Es hat auf der Sitzung des Stiftungsvorstandes vom 8.12.2010 ein Angebot der Firma Grünenthal gegeben, der Conterganstiftung Geld zu zahlen, damit die Conterganstiftung dieses Geld an Herrn Dr. Graf zur Vermeidung von Korruptionsvorwürfen weiterleitet.
2. Der Vorstand der Conterganstiftung ist diesem Angebot der Firma Grünenthal nicht gefolgt.
Wenn das wahr ist, dann stellt sich mir die Frage, warum wir im Stiftungsrat als Kontrollorgan des Stiftungsvorstandes nichts von diesem ungeheuerlichen Angebot der Firma Grünenthal und dessen Ablehnung durch den Stiftungsvorstand erfahren haben.
Wenn das wahr ist, dann stellt sich mir die Frage, warum der Stiftungsvorstand überhaupt noch in Erwägung zieht, irgendwelche Zustiftungen von seiten der Firma Grünenthal anzunehmen.
Wenn das wahr ist, dann stellt sich mir die Frage, warum der Stiftungsvorstand an Verträgen mit der Firma Grünenthal festhält, die für die Contergangeschädigten keinen wirtschaftlichen Wert haben, weil ohnehin der Bund die Kosten übernehmen müsste.
Einsichtnahme in die Vorstandsprotokolle
Soweit Herr Schucht behauptet, ich hätte selbstverständlich bei den Einsichtnahmeterminen Notizen von den Vorstandssitzungsprotokollen machen können, freut mich das sehr.
Ich werde gleich nächste Woche entsprechende Termine mit der Geschäftsstelle der Stiftung vereinbaren und bei der Einsichtnahme entsprechende Notizen und Kopien von den Protokollen der Vorstandssitzungen machen.
Das wird die Arbeitsökonomie bei den Einsichtnahmeterminen um ein Vielfaches effektiver machen, so dass nicht mehr so viele Termine zur Einsichtnahme in die Vorstandssitzungsprotokolle erforderlich sein dürften. Dies entlastet mich, die Geschäftsstelle und meine Hilfskräfte.
Für entsprechende Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich sehr gerne zur Verfügung.
Mit herzlichen Grüßen
Andreas Meyer“
Weiterführende Informationen:
Lesen Sie bitte das Statement von Andreas Meyer auf der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundestages am 1.2.2013.
Wenn Sie die Ereignisse rein chronologisch verfolgen wollen, gehen Sie weiter zur E-Mail des BCG an die politische Prominenz vom 10.3.2013.
Wenn Sie nur die wichtigsten Ereignisse weiterverfolgen wollen, gehen Sie weiter zu den zwei Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke vom 4.4.2013.
Hier kommen Sie zurück zum Schreiben von RA Karl Schucht vom 22.2.2013.
Der oben erwähnten Vorgänge haben nun Herrn Meyer veranlasst, Herrn Schucht vor dem Landgericht Bonn zu verklagen.
Lesen Sie Einzelheiten zur juristischen und zur gesellschaftspolitischen Bedeutung des Gerichtsverfahrens.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung zur Klageeinreichung vom 5.9.2016.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung vom 13.2.2013 zur Gerichtsverhandlung am 15.2.2017.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung zur Weiterführung des Verfahrens ohne Vergleich vom 9.3.2017.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung vom 8.6.2017 zum derzeit noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Bonn vom 10.5.2017 und zur Berufungseinlegung.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung zu 60 Jahren Contergan vom 26.9.2017 und unsere Petition 60 Jahre Contergan – Für ein bundesweites Antikorruptionsgesetz!
Lesen Sie bitte dazu unsere Einladung zur Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Köln Andreas Meyer ./. Rechtsanwalt Karl Schucht am 15.2.2018.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung vom 06.02.2018 zur OLG Köln Gerichtsverhandlung am 15.02.2018.
Lesen Sie bitte dazu unsere Pressemitteilung zur Rechtskraft des OLG Köln Urteils Andreas Meyer ./. Rechtsanwalt Karl Schucht vom 04.06.2018.
Lesen Sie bitte auch die in der Conterganstiftung eingebrachte Beschlussvorlage zur Erweiterung des Prüfungsauftrages der Rechtsanwaltskanzlei GSK Stockmann & Kollegen auf das BMFSFJ vom 9.11.2018.
Lesen Sie bitte auch den Offenen E-Mail-Brief von Andreas Meyer an den Stiftungsratsvorsitzenden Christoph Linzbach (BMFSFJ) vom 30.04.2019.
Lesen Sie bitte unsere Pressemitteilung „Der Grünenthal-Mann aus dem BMFSFJ“ vom 29.05.2019.
Lesen Sie bitte zu Ihrer Orientierung nochmals eine Chronologie des Hintergrunds dieser Ereignisse.