BESCHLUSSVORLAGE ZUR ERWEITERUNG DES PRÜFUNGSAUFTRAGES DER RECHTSANWALTSKANZLEI GSK STOCKMANN & KOLLEGEN AUF DAS BMFSFJ VOM 09.11.2018
Beschlussvorl_Erweiterung_Pruefungsauftrages_GSK_Stockmann_9.11.2018.pdf (108kB)
Andreas Meyer
ordentliches Mitglied im Stiftungsrat
der Conterganstiftung für behinderte Menschen
Dohmengasse 7, 50829 Köln
Telefon: 0221 / 9505101,Telefax: 0221 / 9505102
E-Mail: andreas.meyer.stiftungsrat@web.de
An die
Conterganstiftung
für behinderte Menschen
– Geschäftsstelle –
Sybille-Hartmann-Str. 2-8
50969 Köln
Zur Weiterleitung an den Stiftungsratsvorsitzenden Christoph Linzbach
die Mitglieder des Stiftungsrates und deren Stellvertreter
den Vorstand der Conterganstiftung
9.11.2018
Betrifft: Beschlussvorlage zur Erweiterung des Prüfungsauftrages der Rechtsanwaltskanzlei GSK Stockmann & Kollegen.
Sehr geehrter Herr Linzbach, sehr geehrte Damen und Herren,
Vielen herzlichen Dank für Ihre E-Mail-Schreiben vom 14.6.2018 und 31.10.2018.
Zunächst möchte ich mich gerne entschuldigen, dass ich erst jetzt auf mein obiges Anliegen zurückkomme.
Wie Sie mit Sicherheit wissen, hat sich in diesem Jahr sehr viel in Sachen Contergan ereignet. Und auch unsererseits geht das Alter nicht ganz an einem vorüber, sodass längere Erholungsphasen zuweilen gerne ausgekostet werden, um erneut Kraft für die Sache Contergan zu schöpfen.
Dennoch möchte ich zeit- und termingerecht auf mein obiges Anliegen zurückkommen und ihnen eine konkrete Beschreibung meiner Vorstellungen von dem Untersuchungs-gegenstand und dessen Notwendigkeit darlegen.
Ich versuche das gerne in Form einer Beschlussvorlage wiederzugeben.
Beschlussvorlage
Der Stiftungsvorstand möge den Prüfungsauftrag an die Kanzlei GSK Stockmann & Kollegen zur Aufklärung der Hintergründe des sogenannten „Aktenfundes“ bei der Firma Grünenthal wie folgt erweitern.
Die Erweiterung des Prüfungsauftrags ist notwendigerweise auf alle Personen auszudehnen, die unter die nachfolgenden Konkretisierungsfelder zu subsumieren sind:
I. Es ist aufzuklären, warum die 1972 amtierende Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Käte Strobel (SPD), als Ministerin des über die Conterganstiftung die Aufsicht führendes Ministerium es ermöglicht hat, dass Herr Rechtsanwalt Herbert Wartensleben die Position des Vorsitzenden der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung erhielt, obwohl damals (2 Jahre nach der Einstellung des Conterganstrafverfahrens) bekannt war, dass Wartensleben (während und nach dem Strafverfahren) Leiter der Rechtsabteilung der Firma Grünenthal war.
II. Ferner ist aufzuklären, warum die Bundesministerinnen und Bundesminister für Familie usw. (Käte Strobel SPD, Katharina Focke SPD, Antje Huber SPD, Anke Fuchs SPD, Heiner Geißler CDU, Rita Süssmuth CDU, Ursula Lehr CDU, Hannelore Rönsch CDU, Angela Merkel CDU, Claudia Nolte CDU, Christine Bergmann SPD, Renate Schmidt SPD) sowie deren Ministerialbeamte trotz der dem Bundesfamilienministerium gesetzlich übertragenen Aufsichtspflicht über die Conterganstiftung Herrn Wartensleben über 30 Jahre in seinem Amt als Vorsitzender der Medizinischen Kommission belassen haben.
III. Ebenso ist aufzuklären, warum die vom Bundesfamilienministerium regelmäßig von 1972 bis heute durch die hauseigenen Ministerialbeamten gestellten Stiftungsratsvorsitzenden die in der Conterganstiftung allgemein übliche Praxis ohne Widerspruch zugelassen und geduldet haben, dass die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und die Mitglieder der Medizinischen Kommission die jeweilige medizinische Akte der Betroffenen zur Bearbeitung durch Rechtsanwalt Wartensleben an die Anschrift der Firma Grünenthal versandt haben, obwohl in der Lastenausgleichsbank (heute KfW-Bank) genügend Platz vorhanden gewesen wäre, damit Wartensleben die Akten dort hätte bearbeiten können.
IV. Zu dem ist zu untersuchen, ob nach der Beendigung der Tätigkeit von Herrn Wartensleben als Syndikusanwalt bei Grünenthal im Jahr 1983 die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und die Mitglieder der Medizinischen Kommission bis zum Ausscheiden von Herrn Wartensleben aus dem Vorsitzposten in der Medizinischen Kommission im Jahr 2003 die Akten der Leistungsberechtigten weiterhin zu deren Bearbeitung durch Herrn Wartensleben an die Firma Grünenthal sandten.
V. Soweit diese Annahme sich bestätigt, ist sicherheitshalber zu untersuchen, ob bis heute Akten oder Unterlagen der Leistungsberechtigten von Mitarbeitern der Geschäftsstelle und den Mitgliedern der Medizinischen Kommission an die Firma Grünenthal oder Herrn Wartensleben übersandt wurden und werden.
VI. Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Abschlussberichts von GSK Stockmann & Kollegen vom 6.12.2017 sowie der Feststellungen des rechts-kräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Köln vom 15.2.2018 im sogenannten Prozess um „Verflechtungen zwischen Grünenthal und Conterganstiftung“ und der unter I bis V zugrundegelegten Tatsachen ist aufzuklären, warum das Bundesfamilienministerium sowohl 2013 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke als auch bis heute bei ähnlichen Anfragen aus dem nicht parlamentarischen Bereich antwortete, dass nach dem Erkenntnisstand der Bundesregierung im Jahr 2013 die Firma Grünenthal GmbH keinen Zugang zu den Akten der Stiftung gehabt hätte.
VII. Es ist zu untersuchen, ob es in den Jahren 1973 – 1979 zwischen Rechtsanwalt Wartensleben und Amtsinhabern der Stiftung sowie des Bundesfamilien-ministeriums auf Vorstandssitzungen oder Stiftungsratssitzungen der Conterganstiftung während der gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Firma Grünenthal, dem Elterntreuhänder Rechtsanwalt Dr. Dr. Rupert Schreiber und dem contergangeschädigten Kläger A. K. (Name anonymisiert, wird aber dem Stiftungsratsvorsitzenden und der GSK Stockmann & Kollegen gerne mitgeteilt) regelmäßig einen ausführlichen Informationsaustausch, Strategiegespräche und gemeinsame Absprachen mit dem Ziel gegeben hat, einen erfolgreichen Prozessverlauf für die Firma Grünenthal herbeizuführen.
VIII. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu untersuchen, in wie vielen Fällen von 1972 bis heute sich die Conterganstiftung von Anwälten der Firma Grünenthal GmbH oder von Anwälten, die von der Firma Grünenthal GmbH vorgeschlagen wurden oder die der Firma Grünenthal nahestehen, gegen Betroffene hat (mit) vertreten lassen, die Leistungen von der Conterganstiftung gerichtlich durchsetzen wollen und wollten.
IX. Auch ist aufzuklären, warum Rechtsanwalt Wartensleben als Rechtsvertreter der Firma Grünenthal Mitverfasser der Schadenspunktetabelle sein durfte und welche Auswirkungen dies für die Anerkennung von conterganbedingten Schadensbildern und deren Aufnahme in die Punktetabelle hatte.
X. Ferner ist zu prüfen, ob durch die reguläre Amtsausübung von Herrn Wartensleben als Vorsitzender der Medizinischen Kommission Antragsteller auf Leistungen der Conterganstiftung und Leistungsberechtigte benachteiligt wurden.
XI. Es ist weiter zu prüfen, ob die bisherigen bzw. obigen Feststellungen und die im Rahmen des Prüfungsauftrages zusammengetragenen und noch zusammen zu tragenden Ergebnisse in den Punkten I. bis XIII. nach damaligen und heutigem Rechtsverständnis als ein Interessenkonflikt oder/und eine Verletzung der Aufsichtspflicht des Ministeriums bzw. oder eine Verletzung von etwaigen Rechten der contergangeschädigten Leistungsberechtigten durch das Bundesfamilienministerium, durch dessen Ministerialbeamte, dessen für die Stiftung zuständigen Mitarbeiter und seine jeweiligen Ministerinnen und Minister darstellt oder gewertet werden kann.
XII. Es ist zu untersuchen, wie die Aufsicht über die Conterganstiftung dem Bundesfamilienministerium entzogen und auf ein anderes Bundesministerium übertragen werden kann. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Ministerial-beamten oder Mitarbeiter des Bundesfamilienministeriums, die für die Conterganstiftung zuständig waren, in dem neuen Ministerium wieder für die Conterganstiftung zuständig sind. Ferner sollen die für die Stiftung neu zuständigen Beamten keine Verbindungen zur Firma Grünenthal GmbH, deren Schwesterfirmen, der Eigentümerfamilie Wirtz oder hinlänglich bekannten Handlangern und Sympathisanten der Firma Grünenthal haben. GSK Stockmann & Kollegen werden zudem beauftragt, einen entsprechenden Gesetzentwurf für das Conterganstiftungsgesetz vorzulegen.
XIII. Bei der Durchführung des erweiterten Prüfungsauftrages ist sicherzustellen, dass keine Ministerialbeamten oder Mitarbeiter bzw. Staatssekretäre des Bundesfamilienministeriums und auch nicht der oder die amtierende Bundesministerin sowie die Mitglieder der Organe der Conterganstiftung, der Geschäftsstelle und der Medizinischen Kommission Einfluss auf das Ergebnis des erweiterten Prüfungsauftrages nehmen nehmen und nehmen können. Eine Abnahme des Abschlussberichts zu dem erweiterten Prüfungsauftrag hat ausschließlich durch den Stiftungsrat der Conterganstiftung zu erfolgen.
Die Ergebnisse des erweiterten Prüfungsauftrages werden auf dem Infoportal der Conterganstiftung in allen Sprachen der Leistungsberechtigten und barrierefrei veröffentlicht.
Das gleiche gilt unverzüglich für diese Beschlussvorlage.
Eine Ablehnung eines der hier dargestellten Punkte I bis X soll einen positiven Beschluss über die anderen nicht unmöglich machen.
Begründung
Die Conterganstiftung hat 2014 die Anwaltskanzlei GSK Stockmann & Kollegen beauftragt, die Hintergründe des angeblichen „Aktenfundes“ bei der Firma Grünenthal GmbH aufzuklären, den Vorgang datenschutzrechtlich zu bewerten, die erforderlichen Konsequenzen aufzuzeigen die Conterganstiftung bei der Umsetzung der Maßnahmen zu beraten und zu vertreten.
1. Der angebliche „Aktenfund“
Anlass war eine Anfrage des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) vom 22. Juli 2013 an Rechtsanwalt Wartensleben, ob er aus seiner Tätigkeit als Vorsitzender einer der beiden medizinischen Kommissionen der Conterganstiftung noch über Akten der Conterganstiftung verfüge. Rechtsanwalt Wartensleben verneinte dies, er besitze keinerlei „Stiftungakten“.
Die im Abschlussbericht vom 6.12.2017 in dankenswerter Weise minutiös zusammengefassten Ergebnisse der detailreichen und intensiven Ermittlungen warfen Fragen zur Verantwortlichkeit des über die Conterganstiftung aufsichtsführenden Bundesfamilienministeriums für die ermittelten Sachverhalte auf.
Insbesondere ist aus der Sicht des Unterzeichners auffällig, dass trotz der seit dem Inkrafttreten des Conterganstiftungsgesetzes im Jahr 1972 über 30 Jahre lang von dem aufsichtsführenden Bundesministerium unwidersprochen der Syndikus und Rechtsvertreter des Verursacherunternehmens Grünenthal, Herbert Wartensleben, in der vom Bund gegründeten Conterganstiftung zu mindestens als Vorsitzender der Medizinischen Kommission Einblick in die Akten der Leistungsberechtigten und infolgedessen zu mindestens über seine Person auch die Firma Grünenthal Einblick in die Akten hatte.
Es soll an dieser Stelle auch die positive Feststellung nicht unterschlagen werden, dass die im Abschlussbericht vom 6.12.2017 zusammengefasste Untersuchung der GSK Stockmann & Kollegen auch vom Bundesfamilienministerium mit unterstützt bzw. Initiiert wurde.
Jedoch wird der positive Blick auf das Ministerium zugleich wieder getrübt, wenn aus dem allzu plötzlichen „Aktenfund“ bei der Durchsicht der nach dem „Fund“ an jeden Betroffenen zurückgegebenen Akten deutlich wird, dass in der Vergangenheit unter den Augen des aufsichtsführenden Bundesfamilienministeriums und den von ihm regelmäßig gestellten, für die Stiftung zuständigen Ministerialbeamten, insbesondere der Stiftungsratsvorsitzenden, es zu mindestens von 1972-1983 nachweislich üblich und Routine war, dass die Conterganstiftung selber über ihre Mitglieder der Medizinischen Kommission und auch durch die Mitarbeiter ihrer Geschäftsstelle die Akten der Leistungsberechtigten an die Anschrift der Firma Grünenthal GmbH sandten, damit Herr Wartensleben seinen Job als Vorsitzender der Medizinischen Kommission in den Geschäftsräumen der Firma Grünenthal ausüben konnte.
Beleg
Protokoll der 104. Stiftungsratssitzung vom 18.5.2017, Seite 13, Dialog zwischen dem Betroffenenvertreter Andreas Meyer und Rechtsanwalt Dr. Jan Hennig von GSK Stockmann & Kollegen:
„Herr Meyer erwiderte, dass seine ihm vorliegenden Unterlagen eine eigene Sprache sprechen. Um dieses zu belegen, verlas er ein Schreiben der Geschäftsstelle der Conterganstiftung an Herrn Wartensleben mit der Hausanschrift der Firma Grünenthal und ein Schreiben eines Gutachters der medizinischen Kommission der Conterganstiftung an Herrn Wartensleben mit der Hausanschrift der Firma Grünenthal.
Herr Meyer las beide Schreiben von seinen mitgebrachten Notizen ab.
Abschließen beantragte eine entsprechende Ergänzung des Abschlussberichts.
Herr Dr. Hennig machte deutlich, dass das Schreiben den damaligen Alltag widerspiegelt. Herr Wartensleben war Vorsitzender der Medizinischen Kommission, saß jedoch in der Firma Grünenthal GmbH. Dies schien nach dem Eindruck der Akten allen damals Beteiligten üblich und normal zu sein.
Fraglich sei hingegen, wie nach 1983 vorgegangen worden sei. Herr Wartensleben hätte die Akten nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Syndikusanwalt bei Grünenthal im Jahr 1983 mitnehmen müssen.
Der Stiftungsratsvorsitzenden unterbreitete dem Stiftungsrat den Vorschlag, den Abschlussbericht entsprechend zu ergänzen.“
Schnell stellt man sich dann die Frage, warum Vertreter das Bundesfamilienministeriums von einem „Fund“ sprechen, wenn die von Ihnen beaufsichtigten Verwaltungsinstanzen der Conterganstiftung routinemäßig selber diese Akten an Grünenthal herausgegeben haben.
Nur das wussten die Leistungsberechtigten und ihre Stellvertreter nicht. Denn diese gingen bis zu diesem „Aktenfund“ davon aus, dass der Mann fürs Grobe der Firma Grünenthal, Rechtsanwalt Herbert Wartensleben, seine Aufgaben im Rahmen seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Medizinischen Kommission brav in den Räumen der damaligen Geschäftsstelle der Conterganstiftung in Bonn bei der früheren Lastenausgleichsbank (heute KfW-Bank) ausübte.
Und die Strecke von Stolberg nach Bonn ist noch zu bewältigen (ca. 84 km). Und die Lastenausgleichsbank verfügte über genügend Platz. Und, wenn nach Auffassung von Herrn Wartensleben ihm der Weg von Stolberg nach Bonn zu weit gewesen wäre, hätte er einfach auf sein Amt verzichten können.
Insofern macht der angebliche „Aktenfund“ eher den Eindruck eines fingierten Konstrukts, um davon abzulenken, dass die scheinbar bei Grünenthal gefundenen Akten durch die früher routinemäßig und brav ausgeführten Arbeitsabläufe der Stiftungsverwaltungs-instanzen schon längst bei Grünenthal vorlagen.
Und auch für die nahezu unbeantwortbare Frage, wie nach der Beendigung der Tätigkeit Wartenslebens als Syndikusanwalt bei Grünenthal im Jahr 1983 verfahren wurde, gibt es eine einfache Erklärung:
Was schon immer Routine und Gewohnheit war, wurde einfach beibehalten!
Der Fetisch für Verwaltungsmenschen ist die stereotype Fortsetzung von gewohnten Abläufen.
Vermutlich gingen die Akten weiter an Grünenthal und Wartensleben ließ diese dann ab 1983 von dem Grünenthal-Angestellten R. bei Grünenthal bearbeiten oder er ließ sie sich von diesem in seine Kanzlei bringen und nach Abschluss der Akte dann bei Grünenthal einlagern. Eine andere Möglichkeit ist, dass er zur Bearbeitung der Akten von seiner Kanzlei zum Verwaltungsgebäude der Firma Grünenthal fuhr. Dies ist nun wirklich ein Katzensprung, da beides nah beieinander liegt.
Interessant dürfte nur die Frage verbleiben, wie lange diese Stereotype beibehalten wurde.
Nach meiner persönlichen Einschätzung hat die Anfrage des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) vom 22. Juli 2013 sowohl auf der Seite Grünenthal/Wartensleben als auch auf der Seite des Bundesfamilienministeriums und der Conterganstiftung für Unruhe gesorgt, sodass man sich genötigt sah, das Konstrukt des angeblichen „Aktenfundes“ ins Leben zu rufen, um zu verschleiern, dass die Akten und Unterlagen der Leistungsberechtigten üblicherweise von Mitarbeitern der Geschäftsstelle und den Mitgliedern der Medizinischen Kommission regelmäßig an die Hausanschrift Grünenthals versendet wurden.
Denn diese Vermutung wird noch durch eine weitere vom Bundesfamilienministerium mit ins Leben gerufene Ereigniskette untermauert:
2. Das Verflechtungsurteil des OLG Köln vom 15.2.2018
a. Das Statement
Als Hintergrund dieser Ereigniskette ist zunächst mitzuteilen, dass der Unterzeichner dieses Schriftsatzes, Andreas Meyer, auf einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundestages am 1.2.2013 in seiner Eigenschaft als Stiftungsratsmitglied Hiermit nahm Andreas Meyer Bezug auf die Tatsache, daß seit 1973 die Firma Grünenthal die Kosten der medizinischen Gutachter der Conterganstiftung (medizinische Kommission) übernommen hat und diese Kostenübernahme in den Haushaltsplänen der Conterganstiftung als durchlaufender Posten gekennzeichnet wurde.der Conterganstiftung und als 1. Vorsitzender des BCG ein Statement abgab.
So hat er u. a. gesagt, der Contergan- und Thalidomidhersteller Grünenthal GmbH habe über 30 Jahre lang in der Conterganstiftung Zugang zu den medizinischen Akten der Conterganopfer gehabt.
Hierbei nahm er Bezug auf die Tatsache, dass der ehemalige Leiter der Rechtsabteilung der Firma Grünenthal im Conterganstrafprozeß, Rechtsanwalt Herbert Wartensleben, von 1972 bis Ende 2003 gleichzeitig Vorsitzender einer der beiden medizinischen Kommissionen der Conterganstiftung war.
Weiter hat er gesagt, dass Grünenthal auch noch die medizinischen Gutachter bezahlt hätte.
Hierbei nahm er Bezug auf die Tatsache, daß seit 1973 die Firma Grünenthal die Kosten der medizinischen Gutachter der Conterganstiftung (medizinische Kommission) übernommen hat und diese Kostenübernahme in den Haushaltsplänen der Conterganstiftung als durchlaufender Posten gekennzeichnet wurde.
Das Statement kann man sich hier ansehen:
https://www.gruenenthal-opfer.de/Statement_Andreas_Meyer_1_02_2013
b. Der Brief
Als Reaktion auf Andreas Meyers Statement versandte das Vorstandsmitglied der 11. Amtsperiode der Conterganstiftung, Herr RA Karl Schucht, ein Schreiben vom 22.2.2013 an sämtliche Mitglieder des Familienausschusses des 17. Deutschen Bundestages und behauptete, Meyer hätte in seinem Statement unwahre Behauptungen aufgestellt.
Rechtsanwalt Schucht behauptete in seinem Schreiben weiter, Grünenthal habe zu keiner Zeit Zugang zu den medizinischen Akten der Conterganopfer gehabt. Die medizinischen Akten seien stets in der Conterganstiftung aufbewahrt worden. Ferner seien die Gutachter der medizinischen Kommission stets aus Mitteln der Conterganstiftung bezahlt worden.
Das Schreiben von Rechtsanwalt Karl Schucht vom 22.2.2013 können Sie hier nachlesen:
https://www.gruenenthal-opfer.de/Schreiben_Karl_Schucht_22_02_2013
c. Die Kleine Anfrage und deren Beantwortung durch die Bundesregierung
Meyers obiges Statement vom 1.2.2013 und der Brief von RA Karl Schucht vom 22.2.2013 an die Abgeordneten des Bundesfamilienausschusses waren Gegenstand von einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag vom 4.4.2013.
Relevant für die weitere Darstellung der Ereignisse sind nur 2 Fragen und deren Beantwortung durch die Bundesregierung am 20.4.2013:
So lautet beispielsweise Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke vom 4.4.2013:
„Frage Nr. 1:
Inwieweit bildet der Brief von Herrn Schucht vom 22.2.2013 nur die Meinung des Stiftungsvorstandes oder auch die des aufsichtsführenden Bundesministeriums ab?“
Die damalige Bundesregierung beantwortete diese Frage in ihrer Antwort vom 22.4.2013 wie folgt:
„Soweit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Erkenntnisse über die zu Grunde liegenden Tatsachen des Schreibens vorliegen, entspricht der Inhalt des Schreibens im wesentlichen der Meinung der Bundesregierung.“
So lautet beispielsweise Frage 3 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke vom 4.4.2013:
„Frage Nr. 3:
Kann die Bundesregierung die Behauptung des Vorstands der Conterganstiftung bestätigen:
,Grünenthal hat zu keiner Zeit Zugang zu den medizinischen Akten der Conterganstiftung gehabt.’ (Siehe Brief Schucht vom 22.02.2013)“
Die damalige Bundesregierung beantwortete diese Frage in ihrer Antwort vom 22.4.2013 wie folgt:
„Nach Erkenntnis der Bundesregierung hatte oder hat die Firma Grünenthal GmbH keinen Zugang zu den medizinischen Akten der Stiftung.“
Die kleinen Anfragen der Fraktion die Linke vom 4.4.2013 und deren Beantwortung durch die Bundesregierung am 22.4.2013 finden Sie unter folgendem Link:
https://www.gruenenthal-opfer.de/Zwei_kleine_Anfragen_Linke_4_4_2013
d. Klage und rechtskräftiges Urteil vor dem Oberlandesgericht Köln
Meyer hat dann am 7.6.2016 gegen Rechtsanwalt Schucht wegen dessen Behauptungen in seinem Schreiben vom 22.2.2013 Klage auf Unterlassung und Widerruf eingereicht.
Meyer konnte sich dann gegen Rechtsanwalt Schucht vor dem OLG Köln am 15.2.2018 erfolgreich durchsetzen.
RA Karl Schucht (Beklagter) wurde durch das nunmehr rechtskräftige Urteil des OLG Köln vom 12.4.2018 (Akz. 15 U 85/17) zum Verflechtungsskandal zwischen Grünenthal und Conterganstiftung untersagt zu behaupten:
„a. Herr Meyer hat behauptet, 30 Jahre lang habe Grünenthal in der Conterganstiftung auch auf die medizinischen Akten der Betroffenen geschaut. Diese Behauptung ist unwahr. Grünenthal hat zu keiner Zeit Zugang zu den medizinischen Akten der Conterganstiftung gehabt. Die medizinischen Akten wurden und werden stets in der Geschäftsstelle der Conterganstiftung aufbewahrt.
b. Herr Meyer hat behauptet, Grünenthal habe 30 Jahre lang die Gutachter der medizinischen Kommission der Conterganstiftung bezahlt. Diese Behauptung ist unwahr. Die Gutachter der medizinischen Kommission sind stets aus Mitteln der Conterganstiftung bezahlt worden.“
Sollte RA Schucht diese Behauptung erneut aufstellen, muss er mit einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 € sowie ersatzweise mit bis zu 6 Monaten Ordnungshaft rechnen.
Die weiter von Meyer geltend gemachten Ansprüche auf Richtigstellung gegenüber den Mitgliedern des damaligen Bundestagsausschusses wurden hingegen abgewiesen, da insoweit kein berechtigtes Interesse mehr bestehe. Die Mitglieder des Ausschusses nähmen an der Gesetzgebung nicht mehr teil. Eine Revision wurde vom OLG Köln nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handele.
In seiner Urteilsbegründung stellt das OLG Köln u.a. auf den Seiten 13 und 14 fest:
„(1)
Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass unabhängig davon, was Inhalt der ,Handakten’ gewesen ist, die schließlich in das Archiv der Firma Grünenthal überführt wurden, Rechtsanwalt Wartensleben jeweils die medizinische Akte erhalten hat (…), sodass diese Mitarbeitern dieses Unternehmens zugänglich waren.
Herr Wartensleben nahm diese zwar in seiner Eigenschaft als Mitglied der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung in Empfang, zugleich war er aber in der ersten Zeit als Justiziar bei diesem Unternehmen angestellt, später, nach seinem Ausscheiden, vertrat er es als Rechtsanwalt.
Dasselbe gilt für den gesamten Zeitabschnitt der Tätigkeit des Herrn Wartensleben für dessen Gehilfen und Mitarbeiter R., der Mitarbeiter von Grünenthal war.
Zwar mag in diesem Zusammenhang eine ,Doppelrolle’ des Rechtsanwaltes Wartensleben bzw. des weiteren Mitarbeiter R. in Rede stehen. Auch mag man davon ausgehen, dass eine ,Verschwiegenheit’ satzungsgemäß bzw. kraft Gesetzes statuiert oder jedenfalls in der Art einer sogenannten ,chinese wall’ organisiert war.
Es bestand jedoch immer eine Identität der handelnden Personen, was jedenfalls deswegen schon die Möglichkeit der Kenntnisnahme für ,Grünenthal’ begründete.
(2)
Unstreitig ist weiter, dass die Finanzierung der Arbeit der Medizinischen Kommission jedenfalls teilweise über ein Pauschalbetrag abgesichert wurde, den die Firma Grünenthal an die Conterganstiftung überwiesen hat.
Diese seit dem Jahr 1973 bestehende Praxis wurde im Jahr 2005 auf eine vertragliche Grundlage gestellt, wonach sich die Firma Grünenthal zu einer jährlichen Zahlung von 24.000,00 EUR an die Conterganstiftung verpflichtete, die der Abdeckung von Aufwendungen der Medizinischen Kommission diente.
Die hier nach wie vor zwischen den Parteien strittige Frage, ob unmittelbare Zahlungen durch die Conterganstiftung an die Gutachter erfolgt sind, auf die das Landgericht allein abstellt, ist also hier nicht entscheidend.
Damit ist der Unterlassungsanspruch begründet, da unwahre Behauptungen durch den Beklagten aufgestellt worden sind, deren Wiederholung droht.“ (Abkürzungen und Auslassungen durch den Unterzeichner.)
Fazit
Es muss hervorgehoben werden, dass die Ereignisse auf der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am 1.2.2013 mit dem Statement von Andreas Meyer, das darauf folgende Schreiben von Rechtsanwalt Karl Schucht vom 22.2.2013, die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 4.4.2013 und deren Beantwortung durch die Bundesregierung am 20.4.2013 noch alle vor der Anfrage des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) vom 22.6.2013 stattgefunden haben.
Und durch jedes dieser Ereignisse vor der Anfrage des LDI NRW vom 22.6.2013 haben sich die Protagonisten unverrückbar festgelegt, weil ihr Wirken jeweils ein öffentlichen Charakter hatte.
Wenn nun die Anfrage des LDI NRW vom 22.6.2013 darauf abzielte zu ermitteln, ob Rechtsanwalt Wartensleben noch Akten aus der Conterganstiftung besaß, war es naheliegend, dass auch Grünenthal bald sich diesen Fragen ausgesetzt sehen musste.
Aufgrund der Anfrage des LDI NRW vom 22.6.2013 waren sowohl die Fraktion Grünenthal/Wartensleben als auch die Fraktion Bundesfamilienministerium / Conterganstiftung in einer Zwickmühle:
Die eigentlich bei Grünenthal nicht vorhanden Akten mussten schnell wieder aus der Schusslinie der in Richtung Grünenthal/Wartensleben schauenden Ermittler des LDI NRW genommen werden.
Und was ist das beste „Versteck“?
Wenn die Akten wieder „freiwillig“ in die Obhut des eigentlichen Eigentümers (Conterganstiftung) zurückgebracht werden.
Erst dann waren alle Beteiligten reingewaschen sind, wird es nie wieder Fragen geben.
Um dieses Reinwaschen widerspruchsfrei sowohl den Conterganopfern als auch der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, brauchten die gewohnten Feindbilder der Contergangeschädigten Grünenthal/Wartensleben nur ein Opfer bringen.
Und dieses Opfer war der plötzliche „Fund“ der Akten der Conterganopfer bei der Firma Grünenthal.
Den kritischen Conterganopfern war es sofort glaubhaft zu machen, dass gerade der Feindbildträger Wartensleben die Akten aus der Conterganstiftung entwendet hat, weil jeder von Ihnen davon ausgegangen ist, dass Wartensleben seinen Job des Vorsitzenden der medizinischen Kommission in Bonn bei der Lastenausgleichsbank (heutige KfW-Bank) ausgeübt hatte.
Aber dass die Conterganstiftung jahrelang so dreist war, die Akten der ihnen ausgelieferten Conterganopfer selbst über ihre Mitarbeiter und die Mitglieder der medizinischen Kommission an die Geschäftsadresse der Firma Grünenthal, dem vielfachen Verursacher der schwersten Gesundheitsschäden der Betroffenen, sandte, das mochte auch der Kritischste in unseren Reihen sich nicht ausmalen.
Und allen voran das Bundesfamilienministerium, dass die Aufsicht über die Stiftung zum Schutze der Betroffenen haben soll.
Es duldete und verschwieg Jahre lang einer alltäglich geübte Praxis in der Stiftungarbeit:
Die regelmäßige Übersendung der Akten der Geschädigten an ihren Peiniger, die Firma Grünenthal.
Und diese unselige Praxis konnte nur aufliegen, weil im Jahr 2009 demokratische Kräfte im Bundestag dafür sorgten, dass die Conterganopfer selber ihre Vertreter in den Stiftungsrat der Conterganstiftung wählen konnten.
Und deswegen kämpft dieses Ministerium mit allen Mitteln darum, dass die Mitwirkungsrechte der Betroffenenvertreter geschmälert, nein aufgehoben, werden.
Denn es kämpft nicht für die Conterganopfer!
Das Bundesfamilienministerium kämpft für die Interessen der Firma Grünenthal!
Und so schließt sich der Kreis der Ereignisse:
Das Ministerium braucht Handlanger, die ihm helfen, zu verschleiern, in wessen Dienste es steht.
So fand das Ministerium in Karl Schucht einen willfährigen Handlanger, der bereit war, für die Firma Grünenthal zu lügen und einen Betroffenenvertreter zu diffamieren.
Und nur so ist auch erklärlich, warum das Bundesfamilienministerium in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage bereit war, das Parlament zu belügen.
Es ist nicht nur bereit, Conterganopfer für Grünenthal zu verunglimpfen.
Es ist auch dazu bereit, für Grünenthal die Demokratie mit Füßen zu treten, indem es für Grünenthal das Parlament belügt.
Ein solches Ministerium ist korrupt!
Ein solches Ministerium ist kriminell!
Dieses Bundesfamilienministerium ist ein Grünenthalministerium!
Ich rufe alle Betroffenen auf, zur nächsten Stiftungsratssitzung am 5.12.2018 nach Berlin zu kommen.
Schauen wir, ob dieses Ministerium und mit ihm die anderen Ministerien die Kraft haben, den Weg zur Demokratie zurückzufinden.
Schauen wir, ob der Prüfungsauftrag der Anwaltskanzlei GSK Stockmann & Kollegen im obigen Sinne erweitert wird oder nicht.
Je nach Ausgang der Entscheidung wissen wir, woran wir sind.
Stopp
Das obige Fazit besteht nur aus Vermutungen.
Ich hoffe, dass es tatsächlich nur Vermutungen sind.
Mit warmen solidarischen Herzschlag.
Beschlussempfehlung
Der Stiftungsrat stimmt dem Antrag zu.
Eine Zustimmung zu dem Antrag ist nicht gleichbedeutend mit einer teilweisen oder gesamten Zustimmung zu der dargebrachten Begründung des Antrags.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Meyer
Ordentliches Mitglied im Stiftungsrat
der Conterganstiftung
Das rechtskräftige Urteil des OLG Köln vom 15.2.2018 zum Verflechtungsskandal zwischen Grünenthal und der Conterganstiftungkönnen Sie hier herunterladen.
Lesen Sie bitte dazu unsere Pressemitteilung zur Rechtskraft des OLG Köln Urteils Andreas Meyer ./. Rechtsanwalt Karl Schucht vom 04.06.2018.