ENTSCHÄDIGUNG IM AUSLAND

Entschädigung in Schweden

04.10.1969

Abschluss eines Vergleichs. Daraus ausgezahlt wird eine dynamisierte Jahresrente für 132 Geschädigte. Astra muß jährlich 60.000 schwedische Kronen pro Gechädigten zahlen. Bei einer angesetzten Lebenserwartung von 75 Jahren wird die Auszahlungssumme auf insgesamt 70 Millionen schwedische Kronen geschätzt.

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Entschädigung in Kanada

Insgesamt 75 Opfer

Mai 1968

Vergleich mit 10 Betroffenen; ausgezahlt wurde durchschnittlich 200.000 Dollar, mit der Bedingung, die konkrete Vereinbarung geheim zu halten.

Juni 1975

Vergleich mit den anderen 65 Betroffenen; ausgezahlt wurde je nach Schweregrad der Schädigung 100.000 Dollar bis 900.000 Dollar.

Entschädigung in Japan

Oktober 1974

Abschluss eines Vergleich über 18 Millionen Dollar, die Entschädigungssumme betrug durchschnittlich pro Kopf 350.000 Dollar.

Entschädigung in Großbritannien

Vorgeschichte:

Im Januar 1959 wurde das erste Contergan Opfer in Großbritannien geboren. Denn von 1958 bis zum 27.11.1961 hat der schottische Schnapshersteller Distillers (Produkte der Firma sind Whiskys der Marken „Jonny Walker“,“ Black and White“,“ Haig“ , „White Horse“, „Vat 69“, und Gin der Marken „Gordon s“, „Boot s“ „High and Dry“ den Wodka Cossack) mit der zu ihr gehörenden Distillers Biochemicals Ltd. den Wirkstoff Thalidomid unter dem Namen Distaval in westdeutscher Lizenz auf den britischen Markt gebracht. Wie Grünenthal erklärte sich der Schnapsproduzent ca. zehn Jahre gegenüber Schadensersatzansprüchen für nicht zuständig. Nur 62 Eltern verglichen sich 1968, nachdem die Eltern nicht mehr behaupteten, dass Distillers Biochemical Ltd. das Medikament fahrlässig in den Handel gegeben habe.

Im Gegensatz zu der privat geführten Grünenthal GmbH ist Distillers eine wesentlich größere Aktiengesellschaft. So erzielte der Aktienkonzern bereits 1972 einen Jahresgewinn von 470 Millionen DM. Wie Grünenthal versuchten auch die Anwälte von Distillers den Eltern jegliche Legitimation zur Prozessführung abzusprechen.

Doch Folgendes lief in Großbritannien anders als in Deutschland:

  • Die renommierte Sunday Times und die Daily Mail starteten eine Pressekampagne gegen Distillers.
  • Der sozialistische Abgeordnete Jack Ashley intervenierte im Unterhaus.
  • Der Kunsthändler David Mason selbst ein Vater eines Contergan-Kindes bemühte sich um einen Boykott gegen Distillers.
  • Die Kleinaktionärin Sarah Broad erzwang mit anderen Aktionären mit Hilfe von 10 % der Distillers Aktienanteile eine außerordentliche Hauptversammlung.
  • Große Aktienpakete von Distillers gehörten den Versicherungskonzernen zum Beispiel der Prudential, Konsumgenossenschaften, Stadtverwaltungen, der Universität Oxford und den Banken ( u.a. Rothschild und Schroeder)und viele Verantwortliche bangten um ihren Ruf.
  • Noch wirkungsvoller traf ein Boykott durch die Supermarkt-Kette Wrenson die in 260 Läden jährlich für 3.7 Millionen Mark Distillers Produkte umsetzte.
  • Der Hotelier Marvyn Moore der jährlich Flaschen in einem Gesamtwert von 750 000 DM verkaufte nahm Distillers Produkte aus seinem Angebotssortiment.
  • Der bekannte amerikanische Verbraucheranwalt Ralph Nader drohte auch mit einer Boykott-Kampagne dies hätte 35 % des gesamten Distillers-Umsatzes betroffen.
  • Der Börsenwert der Distillers Aktien sank in Folge der Aktionen an nur einem Tag um 67 Millionen Mark.

Erst massiver Druck der Öffentlichkeit und die drohende Absatzkrise verursacht durch den Boykott hat Distillers Konzernboss Mc Donald 1973 veranlasst, 165 Millionen DM also durchschnittlich 400 000 D-Mark je Kind (410 Contergan Kinder) zu zahlen. Derzeit sind 455 Überlebende Contergan-Opfer im Vereinigten Königreich registriert.

Am 10.8.1973 wurde der Thalidomide-Childrens-Trust vergleichbar mit der Conterganrentenstiftung in Deutschland ins Leben gerufen. Distillers zahlte sieben Jahre jährlich 2 Mio. Pfund in die Stiftung ein. Die Summe wurde pro Jahr um 10% inflationsbedingt angehoben. Im Laufe der Jahre übernahm Guinness die Rechtsnachfolge von Distillers und aus der späteren Fusion von Grand Metropolitan und Guiness plc ging die Firma Diageo hervor.

Neben der schon 1962 gegründeten Thalidomide Society die sich mehr für die soziale, medizinische, praktische und psychologischer Hilfe der Betroffenen einsetzt, wurde 1993 die wesentlich kämpferische Thalidomide UK gegründet. Deren Vorsitzender ein politisch aktiver Freddie Astbury begann am Weihnachtsabend 1993 einen Hungerstreik um darauf aufmerksam zu machen, das die Stiftung bald kein Geld mehr haben werde, um die Renten auszuzahlen und das die Gesundheit der Überlebenden sich stetig verschlechtere und der Hilfsmittelbedarf daher stetig wachse.

Allen Beteiligten wurde 1995 klar das die Stiftung im Jahre 2006 kein Geld mehr für die monatlichen Renten haben werde. Am 4. Mai 1995 begann die Firma Diageo 2.5 Millionen Pfund jährlich bis zum Jahr 2009 der Stiftung zu zahlen. Am 1.6.2000 willigte die Firma Diageo Plc ein, die jährlichen Beiträge in die Stiftung auch nach dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2022 mit jährlich 2.5 Millionen Pfund zu zahlen. Die Zahlung wird jährlich angehoben und dem britischen Lebenshaltungsindex angepasst. Diese Zahlung kam jedoch erst zustande, nachdem im Februar und April 2000 Thalidomide UK zu einem Boykott gegen Diageo und Guinness aufrief.

Unterstützt wurde der Boykott von Celebrities Westlife, Ronan Keating und Michael Owen, Robbie Fowler und Prince Naseem. Der Fußballer Paul Gascoigne und Mitglieder des Schottischen Parlaments aus allen Parteien traten u.a. als Fürsprecher für die Thalidomid Opfer auf.

Am 9.12.2005 zahlte die Firma Diageo nochmals 200 Millionen Pfund in die Stiftung ein, nachdem im Jahre 2003 die Contergan Opfer Nicholas Dobrik und Guy Tweedy über 3500 Briefe an die Mitglieder des House of Lords, die Parlamentarier und die Betroffenen schrieben.

Die Rolle der britischen Regierung:

Die britische Regierung bewilligte 1958 der Firma Distillers Biochemical Ltd. Thalidomid auf den Markt zu bringen. Trotz der steten Weigerung der britischen Regierung den Überlebenden irgend eine Entschädigung zu zahlen, überwies der Staat 1974 einmalig 5 Millionen Pfund und am 5. Juni 1996 nochmals 7 Millionen Pfund der britischen Thalidomid-Stiftung nachdem der Verein Thalidomide UK am 23.8.1995 eine Kampagne gegen die Regierung startete.

Die Renten der britischen Opfer:

Nach Angaben der Zeitung Sunday Times bekommt ein britisches Thalidomid-Opfer ohne Arme und Beine derzeit ca. 22.000 britische Pfund pro Jahr von der englischen Stiftung.

Die Leistungen schlüßeln sich grob wie folgt auf:

– jemand mit Schädigung aller 4 Extremitäten erhält 3.500 Euro monatlich (jährlich 42.000,- Euro);

– jemand mit Schädigung beider Arme/Hände (Ohnarmer) erhält 2.450,- Euro monatlich (jährlich 29.400,Euro) – ;

– jemand mit Schädigung der Unterarme/Hände erhält 1.400,- Euro monatlich (jährlich 16.800,-Euro)

Die Engländer erwarten 2008 und 2009 jeweils eine Erhöhung um 10% und danach bis 2022 jährlich 5 %. Das Opfergeld ist im Durchschnitt ca. 2.100,- Euro monatlich in England.

Daneben gibt es natürlich alle weiteren Unterstützungen, die in England jedem zustehen und alle gesundheitlichen Notwendigkeiten werden ohne Zuzahlung geleistet.

2005 hat jedes „Opfer“ zusätzlich eine Einmal-Zahlung erhalten in der Höhe von 70% des jeweiligen jährlichen Opfergeldes.

Hierbei ist beachtlich, dass auch zuvor schon Einmalzahlungen geleistet wurden.

Quellen:

www.thalidomideuk.com/campaign.htm

www.thalidomideuk.com

www.thalidomidesociety.co.uk

Der Spiegel Nr. 3/1973 S. 74 – 75