BUNDESVERBAND SKANDALE

Der Bundesverband der Eltern körpergeschädigter Kinder e.V. – Contergangeschädigten-Hilfswerk – (heute Bundesverband Contergangeschädigter e.V.) wurde am 16. März 1963 in Menden gegründet (Vereinsregister Menden VR 201). Er ist ein Zusammenschluß sämtlicher Landes- und Ortsverbände, die sich als Interessenvertretungen der Eltern der Conterganopfer gebildet haben. Aufgabe des Bundesverbandes sollte es u.a. sein, die Interessen der Conterganopfer und deren Eltern zu vertreten.

Der Bundesverband ist seit seiner Gründung durch seine Funktionäre immer wieder von einem Finanz- und Korruptionsskandal in den nächsten gerissen worden.

Wegen der Fülle des Materials sind wir jedoch dazu gezwungen, uns auf einige wenige Schlaglichter zu beschränken.

Ein Grund für die Gründung des BCG waren auch diese Skandale, die bis heute nicht wirklich bewältigt wurden.

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Kaufmann Helmut Hering

Vater eines Contergan-Kindes, wurde 1967 Vorsitzender des Bundesverbandes. Gründete während seiner Amtszeit die mit dem Bundesverband konkurrierende Rautenberg-Stiftung, in deren Kurhaus sich contergangeschädigte und andere körperbehinderte Kinder erholen sollten. Wollte sich dort einen lebenslänglichen Posten als Kurdirektor einsetzen lassen (Artikel im Spiegel Nr. 17 / 1969). Verschaffte sich Vermögensvorteile durch die zusätzliche Gründung des „Webeg“-Verlages (vom englischen „we beg“ = wir bitten). Der Verlag vertrieb über Schülermitverwaltungen und Betriebsräte sogenannte „Kinderzoo“-Malbücher und Postkartenserien und appellierte an die Hilfsbereitschaft der Käufer: „Den Erlös dieser Aktion stellt der Webeg-Verlag behinderten Kindern zur Verfügung.“ Tatsächlich kamen nur jeweils eine Mark vom Verkauferlös der 3,90 DM für das jeweilige Malbuch und der 2,40 DM für die Postkartenserie dem gemeinnützigen Zweck zugute (Artikel im Spiegel Nr. 17 / 1969). Er wurde nicht mehr wieder gewählt.

Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann Schulte-Hillen

Herr Rechtsanwalt und Notar Karl-Herrmann Schulte-Hillen, Vater eines Contergan-Kindes, Nebenklägervertreter im Alsdorfer Contergan-Strafprozeß, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes, brachte sich in Mißkredit, weil er den Eltern im Strafprozess versprochen hatte, die Kosten für seine Nebenklagevertretung würden nicht mehr als 20,- DM pro Elternpaar betragen, dann aber Zahlungen von 300,- DM und 500,- DM für vergangene und zukünftige Leistungen verlangte (Artikel im Spiegel Nr. 17 / 1969). Während seiner Amtszeit im Bundesvorstand verschwand ein Spendenbetrag in Höhe von knapp 100.000,- DM, über dessen Verbleib er keine Rechenschaft ablegen konnte (Artikel im Spiegel Nr. 17 / 1969). Entlastung wurde ihm nur erteilt, um ihm seine damals angestrebte Lizenz als Notar nicht zu vereiteln. Aus demselben Grunde wurde auch kein Strafverfahren eingeleitet. Er wurde danach nicht mehr wieder gewählt.

Schon als Nebenklägervertreter im Alsdorfer Strafprozeß brachte er seine Sympathie für den Prozeßgegner, der Conterganherstellerfirma Chemie Grünenthal GmbH, zum Ausdruck, indem er dem Mitangeklagten Chauvistré, nachdem dieser im Verlaufe des Prozesses verstarb, während der Verhandlung eine Laudatio hielt. Später wurde er Duzfreund des Firmensyndikus von Grünenthal, Herbert Wartensleben (Ein Firmensyndikus ist der – oft geschäftsführende – Rechtsbeistand – Justiziar – eines Unternehmens). Mit Herrn Rechtsanwalt Herbert Wartensleben und dem späteren Bundesverbandsvorsitzenden Hans-Helmut Schleifenbaum (siehe unten) korrumpierte er die Interessenvertretung der Conterganopfer zugunsten Grünenthals nachhaltig mit der Folge, daß diese ihre Schadensersatzgelder in Höhe von 100 Millionen DM in die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder”(heute bzw. seit Kurzem „Conterganstiftung für behinderte Menschen” genannt) einbringen mußten, die ihnen heute lediglich eine nach unten gestaffelte Höchstrente von 545,00 € ausschüttet und ihnen aufgrund einer Bestimmung in dem dafür damals erlassenen Stiftungsgesetzes verbietet, Regreßansprüche wegen ihrer Folgeschäden gegenüber Grünenthal geltend zu machen (Einzelheiten unten).

Später verdingte sich Schulte-Hillen als Rechtsvertreter der Opferseite im Bluter-Aids-Skandal, während Wartensleben die Schädigerseite vertrat. Daß beide mit ihrer seit dem Conterganskandal fortdauernden Verbindung auch dem Bluter-Aids-Skandal ihre unverwechselbar persönliche Note gegeben haben, läßt der allseits bekannte Ausgang der dortigen Entschädigungsabwicklung vermuten.

In neuerer Zeit machte Herr Schulte-Hillen Schlagzeilen, weil er zusammen mit der Firma Grünenthal erfolglos vor Gericht gegen den Conterganspielfilm „Eine einzige Tablette“ vor ging. Weiteres Informationsmaterial hierzu finden Sie unter den Pressemitteilungen der Föderation Conterganbehinderter und deren Freunde e.V..

Kaufmann Hans-Helmut Schleifenbaum

Herr Hans-Helmut Schleifenbaum, auch Vater eines Contergankindes, wurde am 22.4.1972 zum 1. Vorsitzenden des Bundesverbandes gewählt.

Im Jahre 1972 gab es Verhandlungen zwischen dem Bundesverband und der Bundesregierung über das besagte Stiftungsgesetz, daß Leistungen in Form von einmaligen Kapitalabfindungen und lebenslangen Renten an die Betroffenen erbringen sollte. Das Gesetz sollte in Kraft treten, wenn die Eltern der Betroffenen der Einbringung der durch einen Vergleich vom 10.4.1970 seitens der Firma Grünenthal GmbH zu zahlenden 100 Millionen DM Schadensersatzgelder in die Stiftung zustimmten. Die Firma Grünenthal hatte ein Interesse an dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, weil nach seinem § 23 I (alte Fassung des Gesetzes) die Geltendmachung von allen weiteren Schadensersatzansprüchen, insbesondere für die heute nicht mehr bestreitbaren und äußerst schmerzhaften gesundheitlichen Folgeschäden, gesetzlich ausgeschlossen wurde.

Während der Verhandlungen über die Ausgestaltung des Stiftungsgesetzes wurde Herr Hans-Helmut Schleifenbaum zusammen mit seinem Intimus Herrn Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann Schulte-Hillen Duzfreund des damaligen Leiters der Rechtsabteilung Grünenthals, Rechtsanwalt Herbert Wartensleben.

Die Familie Wartensleben wohnt mit der Familie Wirtz, den Eigentümern der Grünenthal GmbH, in unmittelbarer Nachbarschaft und ist auch sonst eng mit ihr verbunden. Rechtsanwalt Herbert Wartensleben war zu dem damaligen Zeitpunkt zusammen mit dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Günther Dörr Treuhänder der Firma Grünenthal in dem Treuhändergremium, daß die Vergleichsmillionen der Geschädigten zu verwalten hatte. Dr. Dörr war Strafverteidiger des Angeklagten Dr. Dr. Hans Werner von Schrader-Beielstein im Conterganstrafprozeß. Der Treuhänder der Eltern war der Rechtsanwalt Dr. Dr. Rupert Schreiber.

In der Folgezeit gab es mehrere konspirative Treffen zwischen Herrn Schleifenbaum, Herrn Schulte-Hillen und dem Grünenthaltreuhänder Wartensleben. Während sein Intimus Schulte-Hillen im Hintergrund agierte, begann Herr Schleifenbaum, die vom Bundesverband zu vertretenen Eltern über den Stand der damals mit der Bundesregierung geführten Stiftungsverhandlungen falsch zu informieren, um sie zugunsten Grünenthals dazu zu bewegen, der Stiftungslösung zuzustimmen.

Nachdem der Elterntreuhänder Schreiber die Eltern der Betroffenen in einem Schreiben über die tatsächlichen Ereignisse unterrichtete, nahm Herr Schleifenbaum in Rundschreiben offen Partei für die Grünenthaltreuhänder Dörr und Wartensleben, um den Elterntreuhänder Schreiber in der Elternschaft zu diskreditieren. Neben vielen Verleumdungen gegen den Elterntreuhänder Schreiber fand die Parteinahme Schleifenbaums zugunsten Grünenthals noch einen Höhepunkt darin, daß er einem dieser Rundschreiben ein Formular beilegte, mit dem die Eltern dem Treuhänder Schreiber sein Treuhandmandat entziehen und den Grünenthaltreuhändern Dörr und Wartensleben die Gesamttreuhänderschaft über die Vergleichsmillionen übertragen sollten.

Wie eng das Verhältnis von Herrn Schleifenbaum zu dem Grünenthaltreuhänder Wartensleben war, wird durch die Tatsache belegt, daß er es zuließ und auch später nicht ahndete, daß der damalige Vermögensverwalter des Bundesverbandes Herr Overlak ihn auf einer Jahreshauptverammlung des Landesverbandes Baden-Würtemberg vertrat und den Grünenthaltreuhänder Wartensleben als seinen Rechtsberater mitbrachte, obwohl Herr Wartensleben als Vertreter Grünenthals nicht geladen werden durfte und dieser auch nicht geladen worden war. Die Kumpanei Schleifenbaums mit Grünenthal ging sogar so weit, daß er sich in einem Privatklageverfahren, das der Elterntreuhänder Schreiber gegen ihn angestrengt hatte, von einem Strafverteidiger vertreten ließ, der zusammen mit dem Rechtsanwalt Dr. Dörr den Angeklagten und damaligen Prokuristen Grünenthals, Dr. Dr. Hans Werner von Schrader-Beielstein, im Conterganstrafprozess verteidigte.

Das Ergebnis des Wirkens von Schleifenbaum war das Inkrafttreten des Stiftungsgesetzes am 31.10.1972. Nach dessen Inkrafttreten sorgte er mit dafür, daß die Herren Wartensleben und Schulte-Hillen je einen Vorsitzposten in einer der Kommissionen der Stiftung erhielten.

Die genannten Vorgänge können noch genauer nachgelesen werden in dem Kapitel Die Rolle des Bundesverbandes in unserer Historie des Conterganskandals von 1955 – 1979.

Aber auch zu späteren Zeiten trat Herr Schleifenbaum immer wieder für die Sache Grünenthals ein. Nur beispielhaft seien einige Vorfälle erwähnt:

Auf Seminaren zur Conterganhistorie Ende der 70er Jahre tauchten Wartensleben, Schleifenbaum und Schulte-Hillen gemeinsam als Referenten auf und vermittelten den Geschädigten den Eindruck, als müßten sie ihnen und der Firma Grünenthal für die heutige Entschädigungslösung auch noch dankbar sein.

Am 28.9.1987 veranlasste Herr Schleifenbaum die damalige Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Frau Hilke Blum (siehe unten), anläßlich einer vom Ortsverband Köln am 1. Oktober 1987 zum 30. Jahrestag der Einbringung von Contergan in den Handel vor den Türen Grünenthals in Stolberg geplanten und dann auch durchgeführten Demonstration und Mahnwache ein Schreiben an die Deutsche Presseagentur und die Redaktion des Stern zu senden.

In diesem Schreiben ließ er Frau Blum u.a. mitteilen, daß der Bundesvorstand sich mit der geplanten Gedenkveranstaltung „in keinster Weise identifizieren“ könne. Verwiesen wurde auf einen Beschluß vom 1.7.1982, in dem er eine „derartige Maßnahme“ als verbandsschädigendes Verhalten wertet und den Verbänden, die eine solche Veranstaltung „dulden oder sogar unterstützen“, androht, in Zukunft keine finanziellen Zuschüsse mehr zu gewähren.

Die Befremdung, die dieses Schreiben bei der Presse auslöste, wurde durch den Umstand verstärkt, daß als Adressat neben dem damaligen Schirmherrn des Ortsverbandes Köln, Herr Oberbürgermeister Norbert Burger, und die Landes- und Ortsverbände auch die Firma Grünenthal angegeben wurde.

Offensichtlich sah Herr Schleifenbaum sich genötigt, Grünenthal mitzuteilen, daß man im Bundesverband, wie schon in dem Beschluß vom 1.7.1982 festgelegt, nach wie vor dazu bereit ist, entsprechende Aktivitäten der Betroffenen gegen Grünenthal mit allen Mitteln zu verhindern. Das Ergebnis dieser Einschüchterung war, daß nur etwa 30 Betroffene an der Veranstaltung teilnahmen.

Nachdem in einer Betroffenen-Zeitung dieses Vorgehen massiv kritisiert wurde, wurden der Zeitung von Herrn Schleifenbaum die notwendigen Zuschüsse gestrichen.

Als der Ortsverband Köln später dann auch noch das Geschäftsgebaren von Herrn Schleifenbaum und seiner Geschäftsführerin Frau Hilke Blum öffentlich kritisierte, veranlasste Herr Schleifenbaum gleich zweimal den Ausschluß dieses Verbandes aus dem Bundesverband. Nachdem die Kölner in zwei Gerichtsverfahren gegen die Ausschlüsse obsiegten und auch Frau Blum ihre Klage gegen einen Journalisten, der über die Hintergründe dieses neuerlichen Skandals berichtete, verlor, trat Herr Schleifenbaum am 30.6.1991 von seinem Amt als 1. Vorsitzender des Bundesverbandes zurück. Trotz dieser Vorkommnisse ließ er sich zum Abschied vom Bundesverband eine Feier ausrichten, zu der auch Herr Schulte-Hillen und Herr Wartensleben geladen und erschienen waren.

Am Rande dieser Feier, die er fälschlich als Feier zum 30-jährigen Bestehen des Bundesverbandes deklarierte, verteilten Vertreter der Föderation Conterganbehinderter und deren Freunde e.V. ein Flugblatt, das die obigen und noch weiter zu benennenden Mißstände skizzierte. Als der Kölner Stadtanzeiger über die Flugblattaktion berichtete und den Inhalt des Flugblattes mit den Worten „Meyer hofft jedoch, daß mit dem Ausscheiden Schleifenbaums eine `Ära der beständigen Korruption zu Ende‘ ist.“ zusammenfasste, verklagte Herr Schleifenbaum Andreas Meyer auf Widerruf. Nachdem die obigen und auch die folgenden Vorkommnisse in dem Prozeß zur Sprache kamen, wies das Landgericht Köln die Widerrufsklage von Herrn Schleifenbaum am 8.5.1992 ab. Nach Auffassung des Gerichts war die inkriminierte Äußerung ein zulässiges Werturteil der im Rückblick gewürdigten Ereignisse (Aktz. 30 0 222/91).

Immobilienmaklerin Hilke Blum

Frau Blum kam etwa zum gleichen Zeitraum wie Herr Schleifenbaum zum Bundesverband.

Frau Hilke Blum war langjährige Geschäftsführerin des Bundesverbandes.

Auf einer Bundesvorstandsratssitzung vom 18.2.1989 bot Frau Blum als geschäftsführende Gesellschafterin ihrer kölner Immobilienmaklerfirma „Blum & Partner Immobilien GmbH“ dem Bundesverband das Kaufobjekt „Anwesen Paffrather Str. 132 – 134, 5000 Köln 80 (Dellbrück)“ an.

Der Beschluß, das heutige Haus des Bundesverbandes damals zu kaufen, ist auf ein Täuschungsmanöver von Frau Hilke Blum und Herrn Schleifenbaum zurückzuführen, die beide die Unwissenheit der Mitglieder des Bundesvorstandsrats und des Restvorstands in Immobilienfragen ausnutzten, um sie dazu zu bewegen, den Kauf des von Frau Blum angebotene Objekt trotz dessen Nachteilen zu bewerkstelligen. Wegen eines Testaments bestand seitens des Bundesverbandes die Verpflichtung, den Nachlaß zum Erwerb eines behindertengerechten Kommunikations- und Begegnungszentrums zu verwenden. Diese Auflage war sowohl Herrn Schleifenbaum, den Mitgliedern des Bundesvorstandsrates als auch Frau Blum als Geschäftsführerin des Bundesverbandes bekannt.

Das zum Kauf angebotene Objekt erfüllte diese Bedingung jedoch nicht, da es schon wegen der beiden hohen Eingangstreppen und der schlechten Parkbedingungen nicht behindertengerecht war.

Frau Blum machte das Kaufobjekt trotz seiner objektiven Ungeeignetheit für den Bundesverband den Anwesenden dadurch schmackhaft, indem sie den Wert des Kaufobjektes mit 2,5 Millionen DM angab, während der Kaufpreis jedoch nur 1,55 Millionen DM betragen würde. Der tatsächliche Wert des Hauses lag jedoch weit unter dem von Frau Blum angegeben Schätzpreis, da selbst die Verkäuferin nicht mehr als 1,9 Millionen DM als Kaufpreis veranschlagt hatte und dann sogar auf Drängen von Frau Blum auf den von ihr angegebenen Kaufpreis heruntergegangen ist. Dieser Sachverhalt wurde aber den Anwesenden von Frau Blum verschwiegen.

Frau Blum beabsichtigte dem Bundesverband für die Vermittlung des Kaufprojekts eine Maklercourtage in Höhe von 3 % des Kaufpreises zu berechnen. Diese ist umso höher, je höher der Kaufpreis ist. Bei einem Kaufpreis von 1.550.000,- DM betrug die Courtage 46.500,- DM.

Trotz dieser offensichtlichen Interessenkollision, die sich daraus ergab, daß sie einerseits Geschäftsführerin des Bundesverbandes gewesen ist, andererseits aber als Maklerin an einem möglichst lukrativen Vermittlungsergebnis interessiert war, konnte sie ungehindert von dem damaligen 1. Vorsitzenden Hans-Helmut Schleifenbaum gegenüber den in Immobilienangelegenheiten gänzlich ahnungslosen Anwesenden ihr Angebot nochmals dadurch hervorheben, indem sie ausführte, daß es sich bei dem Objekt um einen Notverkauf handele, da das Haus von einem Dachdeckerunternehmen erstellt worden sei, das jetzt in Konkurs gegangen sei.

Aber auch diese Angaben waren falsch, da der Ehemann der Verkäuferin Mitgliedern des Ortsverbandes Köln mitteilte, daß seine Frau sich nicht in einer wirtschaftlichen Zwangslage befunden habe. Zudem war das Dachdeckerunternehmen schon einige Jahre vor dem Kauf in Konkurs gegangen, sodaß kein direkter Zusammenhang zwischen dem Konkurs und dem Verkaufsinteresse der Verkäuferin bestehen konnte.

Festzuhalten ist jedenfalls, daß sich Frau Blum sowohl von der Verkäuferin als auch vom Bundesverband eine Maklercourtage in der entsprechenden Höhe auszahlen ließ.

Wegen der zusätzlichen Umbau-, Renovierungs- und Einrichtungskosten für das Haus in Höhe von 272.680,97 DM schrumpfte der per 31.12.1989 verabschiedete Finanzstatus des Bundesverbandes von 420.353,80 DM zum 31.12.1990 auf 276.091,25 DM. Zu den Umbau-, Renovierungs- und Einrichtungskosten zählten unter anderem Kosten für das von der Firma Franz gelieferte Mobiliar, das zum größten Teil aus Mahagoni besteht, in Höhe von fast 154.242,87 DM. Die Gartenarbeiten schlugen mit 64.495,11 DM zu Buche. Der Behinderten-Außenlift kostete 40.197,54 DM.

Mit dieser Kostenexplosion haben Herr Schleifenbaum und Frau Blum gegen drei Beschlüsse des Bundesvorstandsrates jeweils vom 1.3.1975, vom 3.6.1984 und vom 29.10.1989 verstoßen. Diesen Beschlüssen ist zum Einen zu entnehmen, daß der Bundesvorstand zur Gewährleistung, daß seine Geschäftsstelle immer funktionsfähig bleibt, eine latente Rücklage von 400.000,- DM wahren muß und diese Rücklage nur in Notfällen angreifen darf. Zum Anderen wurden Herrn Schleifenbaum und Frau Blum vom Bundesvorstandsrat für die behindertengerechten Baumaßnahmen und Einrichtungsgegenstände auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 29.10.1989 durch Beschluß nur Ausgaben bis zu 300.000,- DM genehmigt.

Diese Genehmigung beruhte auf der Zusicherung Herrn Schleifenbaums, hierdurch die laufenden Geschäfte des Bundesverbandes nicht zu beeinträchtigen, die Rücklage von 400.000,- DM nicht anzugreifen, und daß in den 300.000,- DM alle möglichen Zuschußbeträge von Kostenträgern wie z.B. der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“(heute Conterganrentenstiftung), Arbeitsamt, Landschaftsverband usw. enthalten sind. Herr Schleifenbaum und Frau Blum haben diese Zusicherungen nicht eingehalten.

Die laufenden Geschäfte wurden bereits dadurch beeinträchtigt, daß Herr Schleifenbaum die Zuschüsse an die Landesverbände, die ohnehin für die Betreuung von ca. 2800 Contergangeschädigten nur einen durchschnittlichen Jahresbetrag von insgesamt etwa 50.000,- DM erhielten, als erste notwendige Sparmaßnahme im Geschäftsjahr 1990 auf 30.084,33 DM herunterschrauben mußte. Die Rücklage von 400.000,- DM wurde angegriffen, da durch die bereits in Zusammenhang mit den Umbau-, Renovierungs- und Einrichtungsmaßnahmen für das Haus eingegangenen Verbindlichkeiten das Barvermögen des Bundesverbandes vom 31.12.1989 von 420.353,80 DM zum 31.12.1990 auf 276.091,25 DM schrumpfte. In den genehmigten 300.000,- DM waren auch nicht alle Zuschußbeträge von Kostenträgern enthalten. Bis auf einen Zuschuß der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“(heute Conterganrentenstiftung) in Höhe von 79.500,- DM, einen Zuschuß der Stiftung „Delphin“ in Höhe von 20.000,- DM, einen Förderzuschuß der BAGH in Höhe von 1700,- DM sowie die 100 % Förderung einer Clos-o-mat-Anlage wiesen die Geschäftsbericht 1989 und 1990 sowie die Einnahmen- und Ausgabenrechnung 1990 nichts Konkretes aus. Der LV NRW hatte Herrn Schleifenbaum auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 29.10.1989 auf verschiedene mögliche Kostenträger hingewiesen. Außerdem hatte er ihm seine Hilfe bei der Suche weiterer Kostenträger angeboten.

Herr Schleifenbaum ist demnach seine Verbindlichkeiten für die Umbau-, Renovierungs- und Einrichtungsmaßnahmen des Hauses eingegangen, ohne entsprechende Zuschußanträge bei den dafür zuständigen Stellen zu stellen, geschweige denn diese ausfindig zu machen, und ohne verbindliche Zusagen von diesen Stellen abzuwarten. Durch die Differenz des Sockelbetrages vom 31.12.1989 zu dem vom 31.12.1990 ist dem Bundesverband ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden. Die ehemalige Geschäftsführerin Frau Hilke Blum ist hierfür mitverantwortlich, weil es ihrem Aufgabenkreis bis zu ihrer Kündigung zum 31.12.1989 oblag, entsprechende Kostenträger ausfindig zu machen und die notwendigen Anträge zu stellen.

Doch die gesamte Situation war für Herrn Schleifenbaum und Frau Blum nicht nur absehbar, sie wurden sogar auch noch von seiner ehemaligen Vermögensverwalterin Frau Sybille Müller (heutige Sybille Richter) durch Schreiben vom 2.11.1989 gewarnt:

Hinsichtlich der damals schon sehr wahrscheinlichen Unterschreitung des Sockelbetrages in Höhe von 400.000,- DM stellte sie den Antrag an Herrn Schleifenbaum, diese mögliche Unterschreitung dem Bundesvorstandsrat zur Genehmigung vorzulegen.

Sie erhielt daraufhin ein Schreiben von Frau Blum vom 9.11.1989 mit der lapidaren Antwort, „daß der seinerzeitige, gefaßte Beschluß … nach wie vor mit der gefassten Haus-Investitionsmaßnahme konform geht“ und „daß gemäß Schreiben von 7.11.1989 an die Stiftung `Hilfswerk für behinderte Kinder‘ der Sockelbetrag in Kürze wieder aufgestockt werden kann“. Dies war jedoch gelogen, da der Zuschuß der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ lediglich einen Betrag von 79.500,- DM ausmachte, der nicht dazu ausreichte, den Sockelbetrag wieder auf seine Mindestsumme von 400.000,- DM anzuheben.

Frau Sybille Müller (heutige Sybille Richter) schrieb am 11.2.1990 zurück, daß ihrem in dem Schreiben vom 2.11.1989 enthaltenen Antrag, dem Bundesvorstandsrat die mögliche Unterschreitung des Sockelbetrages bekanntzumachen und zur Genehmigung vorzulegen, nicht entsprochen worden ist. Nach Vorlage der Prüfung der Einnahmen- und Ausgabenrechnung 1989 der KPMG-Treuhand-Gesellschaft und des Haushaltsplanes 1990 hätten sich ihre Befürchtungen nicht nur als richtig herausgestellt, sondern wären diese noch wesentlich übertroffen worden. Diese Finanzentwicklung könne sie nicht mehr mittragen, weswegen sie mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt erkläre. Von den Folgen des Hauskaufes hat sich der Bundesverband über Jahre hinweg nur schwer erholen können.

Neben den Vorkommnissen um den Hauskauf kritisierte der Kölner Ortsverband, daß in den Jahren 1986 – 1988 im Durchschnitt jährlich ca. 150.000,- DM an Verwaltungskosten und Gehälter für die ehemalige Geschäftsführerin Frau Hilke Blum und eine halbtags beschäftigte Bürohilfe ausgegeben wurden, ohne daß in den jeweiligen Geschäftsberichten hierfür eine Tätigkeit verzeichnet wurde. Sie kritisierten ferner, daß der Geschäftsführerin Frau Hilke Blum ein Großteil der Personalkosten in Höhe von jährlich ca. 70.000,- DM in Form eines Angestelltenmonatsgehalts von 3000,- DM brutto mit sämtlichen Sozialabgaben gezahlt wurde, obwohl diese gleichzeitig hauptberuflich Geschäftsführerin einer Immobilienfirma, Vermögensverwalterin und zweifache Hoteldirektorin war. Frau Blum und Herr Schleifenbaum haben sich bis zum Ende ihrer Amtszeit geweigert, den Mitgliedsverbänden Blums Arbeitsvertrag und die von Frau Blum quartalsweise abzufassenden Arbeitsberichte der letzten Jahre ihrer Beschäftigung vorzulegen.

Gerade wegen der somit nicht erkennbaren Tätigkeiten Frau Blums fiel besonders ins Auge, daß ein großer Posten der jährlich angefallenen Verwaltungsausgaben in Höhe von ca. 70.000,- DM ihrem Immobilienmaklerbüro erstattet wurden. Bis zum Einzug in das von Frau Blum vermakelte Haus war das Immobilienmaklerbüro der Blum & Partner Immobilien GmbH seit etlichen Zeiten die Geschäftsstelle des Bundesverbandes.

Augenfällig war auch noch, daß Herr Schleifenbaum durch seinen Stellvertreter, Herrn Christian Ruhe, am 2. April 1989 in einem Schreiben an die Mitglieder des Ortsverbandes Köln erklären ließ, „daß der Bundesverband jährlich von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf seine ordnungsgemäße Buchführung hin untersucht wird“.

Später stellte sich heraus, daß dieser angeblich „unabhängige“ und langjährige Wirtschaftsprüfer, der Diplom-Kaufmann und Steuerberater Kurt Stahlhacke, und seine Ehefrau Marianne zusammen mit der ehemaligen Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Frau Hilke Blum, und ihrem Ehemann, dem damaligen Richter am Amtsgericht, Herrn Wolfgang Blum, Eigentümer des Hotels „Uhu“ in der Dellbrücker Hauptstrasse in Köln ist, dessen Direktorin ebenfalls den Namen Hilke Blum trägt. Der Wirtschaftsprüfer wurde nach Bekanntwerden dieser Tatsachen nicht mehr beauftragt.

Um ihre Kritiker im Kölner Ortsverband mundtot zu machen, zettelten Frau Blum und Herr Schleifenbaum gleich zwei Ausschlußverfahren gegen diesen Verband an. Um den jeweiligen Ausschluß zu rechtfertigen, warfen sie ihnen vereinsschädigendes Verhalten vor. Vereinsschädigend sollte u.a. sein, daß die hier geschilderten Vorwürfe in den Medien veröffentlicht wurden. Hiergegen konnten sich der Kölner Ortsverband in zwei gegen die Ausschlüsse angestrengten Gerichtsverfahren – bei einem bis hin zum Oberlandesgericht Köln – erfolgreich wehren (Aktz.: 2 0 394/89; 2 0 174/90; 12 U 49/91.).

Als der WDR und mehrere Zeitungen über Frau Blums Wirken in Zusammenhang mit diesen Ereignissen berichteten, verklagte sie einen der Journalisten, den sie als Urheber einiger dieser Berichte vermutete, im Wege einer einstweiligen Verfügung und setzte den Streitwert auf 500.000,- DM fest. Das Landgericht Köln wies die von Frau Blum als Privatperson und mit ihrer Firma Blum & Partner Immobilien GmbH eingereichte Klage am 21.6.1989 u.a. mit der Begründung ab, die in den Medien beanstandeten Äußerungen (sowohl seitens der Kölner als auch von den jeweiligen Journalisten) seien aufgrund der vorgelegten Tatsachen zulässige Wertungen, teilweise hielt es sie sogar für zutreffend oder für „eine zulässige Meinungsäußerung unterhalb der Grenze zur Schmähkritik“.

Gemeint bei dem letzten Punkt ist der von dem Kölner Ortsverband mehrfach erhobene Vorwurf, Frau Blum verdiene am eigenen Verband, wenn diese dem Bundesverband für die Vermittlung des gekauften Hauses eine Maklercourtage in Höhe von 46.500,- DM in Rechnung stellt. Auch war es zulässig, von einer Interessenvermischung zu sprechen, wenn Frau Blum gleichzeitig Immobilienmaklerin, zweifache Hoteldirektorin und Geschäftsführerin ist. Ebenso konnte als zulässige Wertung von „Vetternwirtschaft“ gesprochen werden, wenn Frau Blum in ihrer Eigenschaft als ehemalige Geschäftsführerin des Bundesverbandes ihrer eigenen Verwandtschaft Aufträge des Bundesverbandes verschaffte (Aktz. 28 0 219/89).

Doch das war für Frau Blum noch nicht genug. Durch ein geschickt inszeniertes Täuschungsmanöver konnte Frau Blum mit Hilfe von Herrn Schleifenbaum den Bundesverband zu einem Beschluss veranlassen, ihr und ihrer Firma Blum & Partner Immobilien GmbH, Prozeßkosten in Höhe von 25.519,97 DM aus dem verlorenen Verfahren zu erstatten:

Frau Blum und Herr Schleifenbaum waren bei der mündlichen Verhandlung am 21.5.1989 anwesend. Die Landgerichtskammer hatte Frau Blum noch während der Verhandlung empfohlen, ihre Anträge nicht zu stellen, da keine Aussicht auf Erfolg bestand. Das Urteil sollte zunächst am 1.3.1990 verkündet werden. Trotzdem wurde dem Bundesvorstandsrat der Antrag auf Übernahme der Prozeßkosten von Frau Blum und Herrn Schleifenbaum bereits am 4.6.1989 zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Frage eines Anwesenden, wie denn die Erfolgsaussichten des Verfahrens sind, hat Frau Blum geantwortet, das wisse man nie so genau im Voraus. Gerichtsverfahren könnten so oder so ausgehen. Beide haben zu keiner Zeit die Beteiligten über die Aussichtslosigkeit des Verfahrens aufgeklärt. Die Beteiligten hätten mit Sicherheit anders abgestimmt, wenn sie von der Aussichtslosigkeit des Verfahrens gewußt hätten.

Die Prozeßkosten in Höhe von 25.519,97 DM wurden Frau Blum gezahlt und wie ihre Courtage in Höhe von 46.500,- DM vom Bundesverband bis heute nicht zurückverlangt.

Wegen der finanziellen Folgewirkungen dieses Korruptionsskandals konnte der Bundesverband mehrere Jahre lang keine Zuschüsse an seine Mitgliedsverbände auszahlen.

Bundesvorsitzende Margit Hudelmaier, ihr Stellvertreter, Michael Ashcroft sowie andere Vorstands- und Beiratsmitglieder

Die bis 2014 amtierende 1. Vorsitzende des Bundesverbandes, Margit Hudelmaier, und ihr früherer Stellvertreter, Michael Ashcroft, haben teilweise von den Ereignissen um den Finanzskandal Blum und Schleifenbaum gewußt, sie geduldet, sie bewusst geförderten oder geflissentlich die Augen davor verschlossen und warnende Stimmen ignoriert.

Bis heute weigert sich der Bundesvorstand, sich von Schleifenbaum, Blum und Schulte-Hillen zu distanzieren, obwohl ihnen die obigen Tatsachen immer wieder hinlänglich bekannt gemacht wurden. Der Bundesvorstand hat Herrn Schleifenbaum, Frau Blum und Herrn Schulte-Hillen zu den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum des Bundesverbandes eingeladen und lud sie auch zu anderen offiziellen Feierlichkeiten des Verbandes als Ehrengäste ein.

Die ehemalige Bundesvorsitzende, Margit Hudelmaier, und Herr Schleifenbaum standen auch als Vorstandsmitglieder der Stiftung „Delphin” miteinander in engen Kontakt (früheres Impressum der Internetseite der Stiftung „Delphin”: Link url=www.jugendheim-delphin.de/deutsch/impressum/index).

Zur Bundesjahreshauptversammlung am 16.03.2002 stellte der LV NRW einen Antrag zur Tagesordnung mit dem Wortlaut:

„Wir beantragen, dass sich der Bundesverband und der Bundesvorstand von den ehemaligen Vorsitzenden bzw. Vorstandsmitgliedern des Bundesverbandes, Herrn Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann Schulte-Hillen und Herrn Hans-Helmut Schleifenbaum (Kaufmann) sowie der ehemaligen Geschäftsführerin und Immobilienmalerin Frau Hilke Blum distanziert und diese nicht mehr zu Ehrenfeiern und anderen feierlichen Anlässen geladen und geehrt werden.”

Der LV NRW begründete diesen Antrag mit einer entsprechenden Darstellung der Ereignisse und mit dem persönlichen Statement:

„Wir sind der Ansicht, dass, solange unserem Antrag nicht entsprochen wird, das öffentliche Ansehen des Bundesverbandes nachhaltig geschädigt wird und jederzeit zu Recht in ein zwielichtiges Licht gerückt werden kann. Dies umso mehr, als es zu diesen Sachverhalten entsprechende Gerichtsurteile gibt. Auch bedeutet eine Ablehnung unseres Antrags, dass sich der Bundesverband und der Bundesvorstand mit den dargestellten Vorkommnissen und dem Wirken des genannten Personenkreises identifiziert und es gutheißt. Dies würde unweigerlich die Frage aufwerfen, welche Interessen der Bundesvorstand und der Bundesverband eigentlich noch vertritt.”

In der Darstellung der Ereignisse wurde auf die obigen Personen (Schulte-Hillen, Schleifenbaum und Blum) und Skandale eingegangen:

Auf der Bundesjahreshauptversammlung vom 16.03.2002 wurde beschlossen, den Antrag des LV NRW bezüglich der vom Bundesvorstand geforderten Distanzierung von Schleifenbaum, Blum und Schulte-Hillen zur Stellungnahme und dann endgültigen Beschluss auf der Bundesjahreshauptversammlung 2003 den Mitgliedsverbänden vorzulegen. Die Durchführung wurde jedoch vom Bundesvorstand über das ganze Geschäftsjahr 2002 verschleppt. Auch im Frühjahr 2003 gab es keinen vom Bundesvorstand hierzu eingeleiteten Meinungsbildungsprozess innerhalb der Mitgliedsverbände, bei dem diese dazu ausdrücklich aufgefordert wurden, hierzu schriftlich Stellung zu nehmen, damit diese Stellungnahmen den anderen Verbänden zum endgültigen Entscheid vorgelegt werden können. Vielmehr wurde dieser Antrag auf der Bundesjahreshauptversammlung am 15.03.2003 ohne nennenswerte Aussprache mehrheitlich abgelehnt. Im Protokoll heißt es hierzu:

„Es ist dem BV nicht untersagt worden, frühere verdiente Mitglieder zu ehren, auch eine Distanzierung von ehemaligen Vorstandsmitgliedern kann nicht verlangt werden.“

Damit haben der Bundesvorstand und seine damals amtierende 1. Vorsitzende, Margit Hudelmaier, die ihnen gegebenen Chancen, die düsteren Kapitel der Vergangenheit des Bundesverbandes zu schließen, nicht genutzt.

Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Ereignisse lediglich eine traurige Fortsetzung:

Am 20. September 2003 fand in der Orthopädischen Universitätsklinik Stiftung Friedrichsheim in Frankfurt am Main das 6. Symposium „Die Contergankatastrophe – Eine Bilanz nach 40 Jahren“ des Deutschen Orthopädischen Geschichts- und Forschungsmuseums e. V. statt. Und, obwohl diese Veranstaltung von der Firma Grünenthal GmbH maßgeblich mitgesponsert wurde, entschloss sich die damalige Bundesverbandsvorsitzende, Margit Hudelmaier, um diesen Umstand wissend, im Rahmen des Programms dieser Veranstaltung als offizielle Vertreterin des Bundesverbandes Contergangechädigter e.V. – und nicht als kritische Zuschauerin – mitzuwirken. Augenfällig war auch, dass auf dem Programmumschlag eine Anzeige aus der Zeitschrift „Die Waage“, Bd. 1, Heft 1 – 8, Stolberg 1959/60 abgedruckt war. Dies ist die Firmenzeitschrift der Firma Grünenthal GmbH.

In einem offenen Brief an die damalige Bundesvorsitzende vom 18. September 2003 schrieb der LV NRW:

„Sehr geehrte Frau Hudelmaier,

wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie am 20. September 2003 an dem 6. Symposium „Die Contergankatastrophe – Eine Bilanz nach 40 Jahren“ des Deutschen Orthopädischen Geschichts- und Forschungsmuseums e. V. in der Orthopädischen Universitätsklinik Stiftung Friedrichsheim in Frankfurt am Main als offizielle Vertreterin des Bundesverbandes Contergangeschädigter e.V. mitwirken wollen.

Wir haben ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihre Mitwirkung an der oben genannten Veranstaltung auch dann nicht absagen wollten, nach dem Ihnen bekannt wurde, dass diese Veranstaltung u.a. von der Firma Grünenthal GmbH gesponsert wird.

Wir halten fest, dass Sie trotz diesem Umstand Ihre fortgesetzte Mitwirkung damit begründen, dass auf dieser Veranstaltung Sachthemen wie „Folgeschäden, derzeitige Lebenssituation sowie die Altersversorgung“ abgehandelt würden, obwohl das Veranstaltungsprogramm schwerpunktmäßig lediglich die orthopädische und prothetische Versorgung der Betroffenen aus historischer Perspektive vorsieht.

Wir sind der Auffassung, dass Ihre Mitwirkung an einer solchen Veranstaltung auch dann nicht angebracht wäre, wenn die aktuelle Folgeschädenproblematik, die derzeitige Lebenssituation (Hilfsmittelversorgung, Pflege usw.) sowie die Altersversorgung dort thematisiert würde, weil perfiderweise gerade die Firma Grünenthal GmbH durch ihr unheilvolles Vorgehen in der Vergangenheit die mit diesen Themen verknüpften, heutigen Probleme der von uns allen vertretenen Betroffenen erst bewirkt hat. So schliesst § 23 des Stiftungsgesetzes jegliche Geltendmachung von weiteren Schadensersatzansprüchen – auch die der Nachfolgeschäden – durch uns Geschädigte gegen die Firma Grünenthal GmbH für immer aus. Diese Bestimmung wurde bei der Entstehung des Stiftungsgesetzes durchgesetzt von dem Sozius der Rechtsanwaltskanzlei des damaligen Justizministers des Landes NRW Neuberger, die einen der Grünenthalverantwortlichen im Conterganstrafprozeß vertrat. Gäbe es diese Bestimmung nicht, müsste die Firma Grünenthal GmbH heute und in Zukunft für sämtliche Folgeschäden, die Hilfsmittel, die Pflege und auch für die Altersversorgung eines jeden Betroffenen aufkommen.

Gerade vor dem Hintergrund der Neuzulassung von Thalidomid auf dem europäischen Markt ist diese Veranstaltung höchst bedeutsam. Bislang hatte die Firma Grünenthal GmbH in sämtlichen Medienberichten hierzu bestritten, daran beteiligt zu sein. Wenn sie nunmehr eine Veranstaltung sponsert, die mit einem Vortrag „Thalidomid – eine Option für die Zukunft?“ endet, zeigt dies, dass sie entgegen allen anders lautenden Behauptungen ihrerseits an der Neuzulassung ein eindeutiges Interesse hat. Und dieser Tatbestand ist neu. Ziel eines solchen Interesses kann nur sein, auf der Welle der Medienberichterstattung über die angeblich positiven Wirkungen ihres früheren Marktrenners mitzuschwimmen und sich hinsichtlich ihrer Machenschaften in der Vergangenheit, insbesondere der von ihr korrumpierten Entschädigungsabwicklung für die heute noch lebenden Betroffenen, reinzuwaschen. Ein weiteres Ziel ist es, an den neuerlichen, angeblichen Erfolgen von Thalidomid wirtschaftlich zu partizipieren.

Durch Ihre Mitwirkung an diesem Symposium wird unweigerlich in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass es in irgendeiner Weise zu einer Annäherung zwischen den Conterganopfern und der Firma Grünenthal GmbH gekommen ist. Es wird zudem der Eindruck entstehen, dass eine Neuzulassung von Thalidomid von der Mehrheit der Contergangeschädigten auch nur annähernd gebilligt wird. Dieser Eindruck wird auch dann haften bleiben, wenn Sie durch eine entsprechende Stellungnahme auf der Veranstaltung selbst eine andere Motivation Ihrer Mitwirkung oder kritische Aspekte der Neuzulassung von Thalidomid kundtun. Denn Sie werden sich die Frage gefallen lassen müssen, ob Sie nicht schon im Vorfeld der Veranstaltung von der Firma Grünenthal GmbH als Sponsor gewusst haben konnten. Sie werden zudem die Frage beantworten müssen, warum Sie, nachdem Sie nun endlich davon erfuhren, Ihre Mitwirkung nicht einfach absagten. Rücksichtnahme gegenüber den Veranstaltern dürfte hier mehr als fehl am Platze sein. Die Veranstalter, die erklärtermaßen als Medizinhistoriker gesehen werden möchten, haben schon durch die Wahl der Firma Grünenthal GmbH als Mitsponsor aber auch der anderen Pharmafirmen bei der Thematisierung des größten deutschen Pharmazieskandals historischen Dilettantismus und im höchsten Maße Unsensibilität gegenüber dem Schicksal der Conterganopfer bewiesen. Vor diesem Hintergrund ist es auch denkbar, dass die Veranstalter selbst im Dienste der pharmazeutischen Industrie oder gar der Firma Grünenthal GmbH stehen. Als Bundesvorsitzende unseres Verbandes sind Sie allein nur den von Ihnen vertretenen Betroffenen gegenüber verpflichtet. Und diese Verpflichtung beinhaltet es, jeglichen Eindruck der Nähe zur Firma Grünenthal GmbH – auch räumliche Nähe – zu vermeiden.

Da es für uns unerträglich und entwürdigend ist, unsere bundesweite Interessenvertretung in irgendeiner Weise als Aushängeschild der Firma Grünenthal GmbH instrumentalisiert zu sehen, möchten wir uns an dieser Stelle von Ihrem Mitwirkungsansinnen ausdrücklich distanzieren.

Dasselbe gilt für Ihre Vorstandskollegen, die Ihr Mitwirkungsvorhaben offensichtlich unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen”

Mit gleichem Datum schrieb der LV NRW die Veranstalter an und forderten sie auf, dem LV mitzuteilen, in welchem Verhältnis sie zu der Firma Grünenthal GmbH stehen. Dieser Brief ist bis heute unbeantwortet geblieben. Ebenso ging seitens des LV NRW eine Presseerklärung an die bundesdeutschen Medien heraus. Um ein entsprechendes Gegengewicht zu der erwarteten und dann doch tatsächlich in den historischen Teilen zum Conterganskandal einseitig, grünenthalfreundlich geprägten Veranstaltung zu geben, entschlossen sich Vorstandsmitglieder des LV NRW als Zuschauer an der Veranstaltung mit kritischen Beiträgen teilzunehmen. Sie verteilten ein Flugblatt und mußten in den Diskussionen viele Darstellungen, die gerade das Vorgehen Grünenthals in der Vergangenheit verharmlosten, richtigstellen.

Auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 18.10.2003 versuchte sich der damalige Bundesvorstand damit heraus zu reden, dass man generell die moralische Pflicht habe, an Veranstaltungen teilzunehmen und diese durch aktive Mitarbeit sogar zu beeinflussen, wenn auf ihnen das Thema Contergan behandelt würde. Im übrigen habe der LV NRW ja auch an der Veranstaltung in Frankfurt teilgenommen und sich damit in die Nähe Grünenthals begeben.

Hierzu resümierte der LV NRW u.a. in seinem Tätigkeitsbericht 2003:

„Offensichtlich ist der Bundesvorstand die Nähe Grünenthals schon so gewohnt, dass er den tatsächlichen und formellen Unterschied zwischen einer Zuschauerteilnahme und einer Mitwirkung im Rahmen eines Veranstaltungsprogramms nicht mehr zu erkennen vermag.”

Das offene Zusammenspiel zwischen dem Bundesverband und der Firma Grünenthal GmbH nahm auch damit kein Ende:

Durch einstimmigen Beschluss der Jahreshauptversammlung des Bundesverbandes vom 15.05.2004 konnte verhindert werden, dass der Bundesvorstand für seinen im Geschäftsjahr 2005 geplanten und dann im Herbst auch tatsächlich durchgeführten Bundesrechtskongreß die Firma Grünenthal GmbH, deren Tochter- und Mutterfirmen sowie die Grünenthaleigentümer-Familie Wirtz als Mitsponsoren in Anspruch nimmt.

Damit wurde dem Versuch des Bundesvorstandes, eine öffentlich zur Schau getragene Annäherung mit Grünenthal unter den Betroffenen hoffähig zu machen, durch das höchste Entscheidungsorgan des Bundesverbandes eine klare Absage erteilt.

Bereits auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 28. Februar 2004 beantragte der LV NRW, dass Grünenthal nicht als Mitsponsor bei dieser Veranstaltung in Anspruch genommen werden solle. Denn in dem von dem damals stellvertretenden Bundesvorsitzenden Michael Ashcroft verfassten Exposé zur Ausgestaltung und Finanzierung des besagten Bundesrechtskongresses wurde die Firma Grünenthal GmbH als Mitsponsor aufgeführt. Damals wurde dieser Antrag noch bei 3 Enthaltungen und 6 Nein-Stimmen abgelehnt.

Vor der Abstimmung wurden Michael Ashcroft und die ehemalige 1. Vorsitzende Margit Hudelmaier vom LV NRW zu dem Vorgang befragt: Michael Ashcroft behauptete, die Passage mit der Mitsponsoreneigenschaft Grünenthals sei ihm beim mitternächtlichen Schreiben des Exposés versehentlich da herein geraten. Margit Hudelmaier sagte hierzu, Geld stinke nicht und es gäbe Contergangeschädigte, die sich mit Grünenthal versöhnen wollten. Zudem wäre es schwierig, andere Geldquellen aufzutun. Auch solle man Grünenthal als Verursacher ruhig für solche Veranstaltungen in Anspruch nehmen.

Auf der Bundesjahreshauptversammlung vom 15.05.2004 behauptete Margit Hudelmaier wiederum, dass sie es niemals zulassen würde, dass der Bundesverband Grünenthal für solche Veranstaltungen in Anspruch nähme. Es stellt sich die Frage, warum sie es dann zuließ, dass ihr damaliger Stellvertreter Michael Ashcroft in ihrem Beisein dem Bundesvorstandsrat am 28. Februar 2004 in seinem Exposé zum Bundesrechtskongreß Grünenthal als Mitsponsor vorschlagen durfte. Es stellt sich fernerhin die Frage, warum dann der sofort gestellte Antrag des LV NRW, dass Grünenthal nicht als Mitsponsor bei dieser Veranstaltung in Anspruch genommen werden solle, mit 3 Enthaltungen und 6 Nein-Stimmen abgelehnt wurde.

Zudem wurde auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 28. Februar 2004 durch Zufall bekannt, dass die Mitglieder der Medizinischen Kommission der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder” über Jahre hinweg Auslagen, Hotelübernachtungen, Verköstigungen von der Firma Grünenthal GmbH erhalten haben. Der ehemalige Firmensyndikus Grünenthals, Herbert Wartensleben, habe in seiner Eigenschaft als Vorsitzender einer der beiden Stiftungskommissionen diese Zahlungen vermittelt.

Aufgabe der Medizinischen Kommission ist zu begutachten, ob jemand überhaupt contergangeschädigt ist, der Rente beantragt hat. Auch bestimmt sie den Grad einer Conterganschädigung und legt dann die Höhe der Rente fest. Sie wird also auch bei Höherstufungsanträgen tätig. Daher stellt sich im Nachhinein die Frage, welche Auswirkung diese Verflechtung auf die langjährige Gutachtertätigkeit hatte.

Dieser Umstand ist besonders bedeutsam, weil der OV Köln in der Vergangenheit den Bundesvorstand mehrfach aufgefordert hat, die Stiftung dazu zu bewegen, den Mitgliedsverbänden des BV Berichte über die Verwendung der Stiftungsgelder vorzulegen. Dies wurde aber von den Stiftungsvertretern des BV stets abgelehnt.

Nicht nur eingedenk dieser Geschehnisse sah es der damalige Vorstand des LV NRW als sein Recht und seine Pflicht an, den Bundesvorstand wegen zwei schwerwiegender Satzungsverstöße in Zusammenhang mit der Einladung zur Bundesjahreshauptversammlung 2004 durch ein Anwaltschreiben vom 24. März 2004 zu rügen.

Der eine Satzungsverstoß betraf die vierwöchige Einladungsfrist, die nicht eingehalten wurde. Die Bundesjahreshauptversammlung 2004 sollte zunächst am 27. März 2004 stattfinden. Eingeladen wurde mit Schreiben vom 5. März 2004. Der andere Satzungsverstoß betraf die Tatsache, dass der Bundesvorstand sowohl die Jahresabrechnung als auch den Bericht über die Vermögenslage des Bundesverbandes nicht zum 1. März 2004 vorgelegt hatte.

Auf Empfehlung des damaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Michael Ashcroft (e-mail vom 26. März 2004) wurde der Termin der Bundesjahreshauptversammlung 2004 vom 27. März 2004 auf den 15. Mai 2004 verschoben.

Hervor zu heben ist noch, dass es der Bundesverband auch bei Wahlen und Abstimmungen mit der Umsetzung demokratischer Prinzipiennicht so genau nahm. Man konnte nämlich das Wahl- und Abstimmungsprinzip des Bundesverbandes mit der Faustformel umschreiben:

„Demokratisch ist das, was die Mehrheit der dem Bundesvorstand zugeneigten Mitgliedsverbände entscheidet; egal, ob sie zuweilen nur die Minderheit der Einzelmitglieder vertreten.”

Zur Bundesjahreshauptversammlung am 16.03.2002 stellte der LV NRW einen weiteren Antrag zur Tagesordnung mit dem Wortlaut:

„Wir beantragen, dass der Bundesvorstand nach Beendigung der Jahreshauptversammlung am 16.03.2002 unter den Mitgliedsverbänden (Orts- und Landesverbände) einen Meinungsbildungsprozess einleitet, der mindestens bis zur ordentlichen Jahreshauptversammlung 2003 andauert. Inhalt des Meinungsbildungsprozesses soll die Vergabe von Satzungsänderungsvorschlägen durch die Mitgliedsverbände hinsichtlich deren Stimmrechte bei Wahlen und Abstimmungen dahingehend sein, dass das Stimmrecht eines jeden Mitgliedsverbandes die Anzahl der durch ihn vertretenen contergangeschädigten Betroffenen und deren Eltern im Verhältnis zu Mitgliedsverbänden mit gleichviel, mehr oder weniger vertretenen contergangeschädigten Betroffenen und deren Eltern repräsentiert.”

Das bis heute geltende Stimmrecht des Bundesverbandes mit seinem „Ein-Verband-eine-Stimme-Prinzip“ berücksichtigt bei Wahlen und Abstimmungen nicht die Anzahl der von einem Mitgliedsverband vertretenen Einzelmitglieder (contergangeschädigte Betroffene und deren Eltern). Es läßt beispielsweise zu, dass ein Mitgliedsverband mit 900 vertretenen Betroffenen von zwei Mitgliedsverbänden mit nur je 15 vertretenen Betroffenen überstimmt wird.

Dies verstößt nach der Auffassung des LV NRW gegen das im Grundgesetz verfasste Demokratieprinzip, weil hierdurch wie in dem obigen Beispiel die Meinung von 900 Betroffenen durch eine Minderheit von 30 Betroffenen zurückgedrängt werden kann. Auch konnten mit dem bisherigen „Ein-Verband-eine-Stimme-Prinzip“ Mehrheitsverhältnisse missbräuchlich dadurch verändert werden, dass sich größere Verbände in kleinere Verbände spalten oder einfach mehrere kleinere Verbände gegründet werden. Der Bundesverband hat mehrfach öffentlich und in den Medien geäußert, seine Wahlen und Abstimmungen würden nach streng parlamentarischen Grundsätzen geführt und er vertrete die Meinung der Mehrheit der contergangeschädigten Betroffenen und Eltern.

In Wirklichkeit vertritt er aber nur die Mehrheit der von ihm vertretenen Mitgliedsverbände.

Die Mitgliedsverbandsmehrheit repräsentiert aber nicht stets die Einzelmitgliedermehrheit. Lediglich bei einstimmigen Stimmergebnissen kann man von einer Übereinstimmung der Mitgliedsverbandsmehrheit mit der Einzelmitgliedermehrheit sprechen.

Dieser Antrag wurde vom Bundesverband angenommen. Die Durchführung wurde aber vom Bundesvorstand über das ganze Geschäftsjahr 2002 verschleppt. Auch im Frühjahr 2003 gab es keinen vom Bundesvorstand hierzu eingeleiteten Meinungsbildungsprozess innerhalb der Mitgliedsverbände, bei dem diese dazu ausdrücklich aufgefordert wurden, hierzu schriftlich Stellung zu nehmen bzw. Satzungsänderungsvorschläge zu machen, damit derartige Unterlagen den anderen Verbänden zum endgültigen Entscheid vorgelegt werden.

Vielmehr wurde eine Änderung des Abstimmungs- und Wahlprinzips auf der Bundesjahreshauptversammlung am 15.03.2003 ohne nennenswerte Aussprache nach bloß namentlicher Abstimmung „mehrheitlich” abgelehnt.

Auch bezüglich der gerichtlichen Auseinandersetzung um den Conterganspielfilm „Eine einzige Tablette“ setzte der Bundesverband seine Grünenthal und deren Handlanger begünstigende Haltung fort.

Bekanntlich haben die Firma Grünenthal und der bereits oben erwähnte Rechtsanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen gemeinsam mehrere Klagen gegen den Filmproduzenten und den WDR eingereicht.

Die einzige Pressemitteilung des Bundesverbandes vom März 2007 zu diesem Themenkomplex endet nach einer langatmigen Abwägung des Für und Widers einer Darstellung des Conterganskandals in Form eines Spielfilmes und einigen kritischen Anmerkungen mit dem Satz:

„Bei allem Bedauern über eine mögliche verpasste Chance einer adäquaten medialen Aufarbeitung der Contergan-Katastrophe kann und wird sich der Bundesverband aus diesen Gründen für keine der beteiligten Parteien stark machen und wird deshalb die Klärung den zuständigen Gerichten überlassen.“

Aber wir wollen dem geneigten Leser nicht den Wortlaut der Pressemitteilung des Bundesverbandes vorenthalten:

Pressemitteilung: März 2007

WDR-Zweiteiler „Eine einzige Tablette“ über Contergan

Firma Chemie Grünenthal GmbH erwirkt beim
Landgericht Hamburg einstweilige Verfügung gegen
den WDR sowie die Zeitsprung Film + TV
Produktionsfirma GmbH.

Untersagt wird die Verbreitung von 15 Falschdarstellungen im Drehbuch zum Zweiteiler
mit dem vorläufigen Titel „Eine einzige Tablette“.

Der Bundesverband Contergangeschädigter e.V. mit Sitz in Köln nimmt wie folgt Stellung:

Vorgeschichte

Mitte des Jahres 2005 kommt der WDR auf Margit Hudelmaier, Vorsitzende des Bundesverbands Contergangeschädigter e.V., mit der Bitte zu, sie möge unterstützend bei der Suche nach einer Kinderdarstellerin mit Gliedmaßenfehlbildung (Amelie/Phokomelie) für den Film „Eine einzige Tablette“ mitwirken. Die gleich lautende Bitte geht auch an die Aktion Mensch sowie den Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Margit Hudelmaier tritt vermittelnd auf – zu einem Erfolg führen diese Vermittlungsversuche jedoch nicht. Der WDR sucht selbst weiter, ohne den Bundesverband über den Fortgang auf dem Laufenden zu halten. Eine Beratung in Bezug auf die Inhalte des Films oder auf die Gestaltung bzw. auf Formulierungen des Drehbuches fand nie statt.

Im ersten Quartal des Jahres 2006 erreicht Margit Hudelmaier eine Mitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Selbsthilfe “ (BAGS), wonach die Firma Chemie Grünenthal GmbH dem WDR die Verbreitung von 15 Falschdarstellungen gerichtlich untersagen ließ. Den Pressemitteilungen und Presseartikeln Mitte März 2006 ist zu entnehmen, dass sich die Firma Chemie Grünenthal GmbH insbesondere gegen die Falschdarstellung wehrt, die Behörden hätten die Abgabe von Contergan verboten, nachdem Grünenthal das Medikament ein Jahr und drei Monate nach der ersten Verdachtsäußerung noch immer nicht aus dem Handel zurück gezogen habe. Ferner sei nach Meinung Grünenthals falsch, dass das erste Entschädigungsangebot der Firma nur 10 Millionen D-Mark betragen hätte und dieses mit der Maßgabe unterbreitet worden sei, es müsse sofort angenommen werden, ansonsten es sich täglich um 1 Million D-Mark verringere. Erwirken wollte die Firma Chemie Grünenthal auch, dass in dem als Fiktion verstandenen Film die Namen „Grünenthal“ und „Contergan“ nicht genannt werden.

Anderen Presseberichten zufolge fühlt sich auch der Rechtsanwalt Karl-Herrmann Schulte Hillen sowohl durch die Falschdarstellung seiner Person im Film als auch durch eine Verdrehung der damaligen Tatsachen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, was nun wohl auch durch das Hamburger Landgericht in allen Klagepunkten bestätigt wurde.
Die Haltung des Bundesverbandes

Der Bundesverband beriet mit seinen Mitgliedsverbänden in der Mitgliederversammlung 2006 den Sachstand. Ergebnis der Beratung war, dass nur eine korrekte Berichterstattung im Sinne der Betroffenen sein kann. Das Drehbuch konnte jedoch von der Firma Zeitsprung nicht zur Verfügung gestellt werden, da es sich bereits um ein schwebendes Verfahren handelte.

Nach Auffassung des Bundesverbandes hätte der Zweiteiler die Chance einer zeitkritischen Aufarbeitung der Ereignisse um einen der größten Arzneimittel-Skandale in der deutschen Nachkriegsgeschichte haben können. Gerade weil es sich bei dieser Art der Aufbereitung der historischen Ereignisse nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um einen Spielfilm handelt, der ursprünglich im Herbst 2006 im ARD-Programm zu sehen sein sollte, hätte ein breites Fernsehpublikum erreicht werden können. Nach Auffassung des Bundesverbandes hätte die Ausstrahlung eines solchen Films zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen und wichtige Diskussionen über die historischen Ereignisse sowie die aktuellen Lebensumstände der Conterganopfer anstoßen können. Die Bevölkerung geht davon aus, dass contergangeschädigte Menschen finanziell abgesichert und sozial integriert sind. Die mittlerweile aufgetretenen Folgeschäden werden nicht wahr genommen.

Der Bundesverband ist sich durchaus bewusst, dass ein solcher Fernsehfilm starke Emotionen hervorrufen, „verschüttete“ Erinnerungen wachrufen und längst geheilt geglaubte Wunden ankratzen kann. Aus Sicht der Conterganopfer ist es aber auch unumgänglich, derartig emotional behaftete und zwischenmenschlich schwierige Wege zu beschreiten, um die Vergangenheit besser verstehen zu können, für die gegenwärtigen Lebensumstände stärkeres öffentliches Interesse zu wecken und zur Bewältigung der bevorstehenden Altersprobleme neue Kräfte mobilisieren zu können.

Allerdings bleiben dem Bundesverband im konkreten Fall Zweifel: Zwar soll ein Ziel der Produktionsfirma nach den Presseberichten gewesen sein, in einer „dramatischen“ Geschichte die Gegebenheiten der 60 – 70 er Jahre anhand von Menschen zu erzählen, denen „das passiert“ ist. Inwieweit die Firma dabei die öffentliche Faktenlage, die in Büchern, im Internet und von Betroffenenvereinen zu erfahren ist, beachtet, kann seitens des Bundesverbandes nicht beurteilt werden.

Zwar war Presseberichten zu entnehmen, dass einzelne Betroffene, deren Namen dem Bundesverband nicht bekannt sind, beratend am Drehbuch mitgewirkt haben. Doch seitens des Verbandes kann nicht beurteilt werden, ob diese fiktionale Filmproduktion als Kunstwerk in geeigneter Weise dazu beiträgt, das Thema Contergan adäquat aufzuarbeiten. Unbestritten ist für den Bundesverband, dass eine geeignete Plattform für die Bearbeitung eines derart sensiblen Themas für die Betroffenen gefunden werden muss. Ob jedoch dieser Film eine solche Plattform bieten kann, entzieht sich unserer Kenntnis, da uns das Resultat der Produktion völlig fremd ist. Auch auf Nachfrage bei Journalisten, die den Film wohl trotz Sendeverbotes bereits gesehen haben, bestehen Zweifel darüber, ob die Ungereimtheiten zum Contergan-Prozess abschließend ausgeräumt werden können. Bis heute gibt es zu bestimmten Sachverhalten, wie z.B. zum Prozessausgang, kontrovers geführte Diskussionen, und das nicht nur unter den Betroffenen.

Tatsache ist, dass der Name Grünenthal immer in der Verbindung mit der Contergan-Katastrophe Bestand haben wird. Die Betroffenen werden keine Rücksicht auf eventuelle Firmenschäden nehmen. In diesem Zusammenhang bemerkt der Bundesverband, dass – verfolgt man die aktuellen Zeitungsberichte – in der Auseinandersetzung zwischen Grünenthal und Schulte Hillen einerseits und dem WDR bzw. der Produktionsfirma andererseits mittlerweile das Schicksal der Betroffenen eine untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr stehen medienrechtliche und finanzielle Interessen im Vordergrund. Es geht hier um viel Geld. Wird der Film nicht ausgestrahlt, werden hohe Produktionskosten in den Sand gesetzt.

Bei allem Bedauern über eine mögliche verpasste Chance einer adäquaten medialen Aufarbeitung der Contergan-Katastrophe kann und wird sich der Bundesverband aus diesen Gründen für keine der beteiligten Parteien stark machen und wird deshalb die Klärung den zuständigen Gerichten überlassen.

im März 2007″

Die Pressemitteilung konnte noch früher auf der Webseite des Bundesverbandes nachgelesen werden.

Um das Schlimmste zu verhindern, stellte der LV NRW auf der Bundesvorstandsratssitzung vom 24. Februar 2007 den Antrag, die Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 24. März 2007 durch einen eigenen Tagesordnungspunkt zu ergänzen, damit die Pressemitteilung des Bundesverbandes diskutiert werden kann.

Zugleich legte der LV NRW einen eigenen Entwurf vor, der sich sogar bewußt an dem Vorentwurf des Bundesverbandes anlehnte, um einen möglichst breiten Konsens zu finden.

In einer Email an die ehemalige Bundesvorsitzende, Margit Hudelmaier, schrieb der LV NRW:

„Sehr geehrte Frau Hudelmaier,

gemäß unserem Antrag vom 24. Februar 2007 auf der dortigen BVR-Sitzung zur Ergänzung der Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 24. März 2007 durch einen eigenen Tagesordnungspunkt, um die Stellungnahme des Bundesverbandes vor dem Hintergrund unseres am 16.03.2002 gestellten Antrages – die Person Schulte-Hillens betreffend – diskutieren zu können, möchten wir Ihnen unseren eigenen Entwurf einer Stellungnahme des Bundesverbandes Contergangeschädigter e.V. vorlegen.

Wie Sie feststellen werden, haben wir uns insbesondere dabei bemüht, die wesentlichen Teile Ihres Entwurfes zu erhalten.

Wir beantragen daher als gesonderten Antrag zur Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 24. März 2007, dass unser Entwurf unter dem obigen am 24. Februar 2007 zur Ergänzung der Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 24. März 2007 beantragten eigenen Tagesordnungspunkt als Alternativvorschlag zu der bestehenden Stellungnahme des Bundesverbandes diskutiert und darüber abgestimmt wird, welcher der beiden Vorschläge – vorbehaltlich etwaiger Änderungsvorschläge zu unserem Entwurf aus der Mitgliederversammlung – als sodann offizielle Stellungnahme des Bundesverbandes den Medien präsentiert wird.

Vorstellbar wäre es für uns auch, dass unser Entwurf mit den etwaigen Entwürfen von anderen Mitgliedsverbänden kombiniert und daraus eine eigene Stellungnahme des Bundesverbandes zusammen gestellt und diese sodann den Medien präsentiert wird.

Zudem beantragen wir, dass unser Entwurf und auch nochmals unser Antragsschreiben vom 09. März 2002 mit unseren Anträgen zur Tagesordnung der Bundesjahreshauptversammlung vom 16.03.2002 den Mitgliedsverbänden noch vor der Mitgliederversammlung am 24. März 2007 rechtzeitig zur Einarbeitung zugestellt wird.

Der Wortlaut beider Dokumente sind als Anhang dieser Email im PDF-Format enthalten.

Zudem beantragen wir als gesonderten Antrag zur Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 24. März 2007, dass sich der Bundesverband und der Bundesvorstand von den ehemaligen Vorsitzenden bzw. Vorstandsmitgliedern des Bundesverbandes, Herrn Rechtsanwalt und Notar Karl-Hermann Schulte-Hillen verbansintern und öffentlich distanziert und dieser nicht mehr zu Ehrenfeiern und anderen feierlichen Anlässen geladen und geehrt wird, wenn er nicht bis zum 6. April 2007 sämtliche der von ihm anhängigen Klagen gegen den Film zurückzieht. Soweit Ihm Ehrentitel seitens des Bundesverbandes oder eines seiner Organe oder Vertreter verliehen wurden, werden diese aberkannt.

Der Antrag kann zu dem oben genannten Tagesordnungspunkt zur Abstimmung gebracht werden, nachdem über die Stellungsnahme-Entwürfe usw. abgestimmt wurde.

Begründung:

Zur Begründung verweisen wir auf die Begründung zu unseren Anträgen zur Tagesordnung der Bundesjahreshauptversammlung vom 16.03.2002, die den Mitgliedsverbänden ja dann von Ihrer Seite vorgelegt worden sein dürfte.

Mit freundlichen Grüßen“

Der Entwurf des LV NRW lautete:


Entwurf einer Stellungnahme des Bundesverbandes Contergangeschädigter e.V.
vom Interessenverband Contergangeschädigter NRW e.V.

Bundesverband Contergangeschädigter e.V.

Stellungnahme

zu der Auseinandersetzung um den WDR-Zweiteiler „Eine einzige Tablette“ über den Contergan-Skandal

Der Bundesverband Contergangeschädigter e.V. fordert die Kläger auf, alle ihre Klagen gegen den Film zurück zu ziehen.

Der Bundesverband fordert den WDR und die Firma Zeitsprung auf, die der Dramaturgie geopferten Tatsachenverdrehungen des Filmes möglichst abzuändern oder / und durch einen entsprechenden Vorspann auf den fiktiven Gehalt ihres Filmes hinzuweisen.

Vorgeschichte

Mitte des Jahres 2005 kommt der WDR auf Margit Hudelmaier, Vorsitzende des Bundesverbandes, mit der Bitte zu, sie möge unterstützend bei der Suche nach einer Kinderdarstellerin mit Gliedmaßenfehlbildung (Amelie/Phokomelie) für den Film „Eine einzige Tablette“ mitwirken. Die gleich lautende Bitte geht auch an die Aktion Mensch sowie den Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Margit Hudelmaier tritt vermittelnd auf – zu einem Erfolg führen diese Vermittlungsversuche jedoch nicht. Der WDR sucht selbst weiter, ohne den Bundesverband über den Fortgang auf dem Laufenden zu halten. Eine Beratung in Bezug auf die Inhalte des Films oder auf die Gestaltung bzw. auf Formulierungen des Drehbuches fand nie statt.

Im ersten Quartal des Jahres 2006 erreicht Margit Hudelmaier eine Mitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Selbsthilfe “ (BAGS), wonach die Firma Chemie Grünenthal GmbH dem WDR die Verbreitung von 15 Falschdarstellungen gerichtlich untersagen ließ. Den Pressemitteilungen und Presseartikeln Mitte März 2006 ist zu entnehmen, dass sich die Firma Chemie Grünenthal GmbH insbesondere gegen die Falschdarstellung wehrt, die Behörden hätten die Abgabe von Contergan verboten, nachdem Grünenthal das Medikament ein Jahr und drei Monate nach der ersten Verdachtsäußerung noch immer nicht aus dem Handel zurück gezogen habe. Ferner sei nach Meinung Grünenthals falsch, dass das erste Entschädigungsangebot der Firma nur 10 Millionen D-Mark betragen hätte und dieses mit der Maßgabe unterbreitet worden sei, es müsse sofort angenommen werden, ansonsten es sich täglich um 1 Million D-Mark verringere. Erwirken wollte die Firma Chemie Grünenthal auch, dass in dem als Fiktion verstandenen Film die Namen „Grünenthal“ und „Contergan“ nicht genannt werden.

Anderen Presseberichten zufolge fühlt sich auch der Rechtsanwalt Karl-Herrmann Schulte Hillen sowohl durch die Falschdarstellung seiner Person im Film als auch durch eine Verdrehung der damaligen Tatsachen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, was nun wohl auch durch das Hamburger Landgericht in allen Klagepunkten bestätigt wurde.

Die Haltung des Bundesverbandes begründet sich trotz folgender Bedenken und Erwägungen:

Der Bundesverband beriet mit seinen Mitgliedsverbänden in der Mitgliederversammlung 2006 den Sachstand. Ergebnis der Beratung war, dass nur eine korrekte Berichterstattung im Sinne der Betroffenen sein kann. Das Drehbuch konnte jedoch von der Firma Zeitsprung nicht zur Verfügung gestellt werden, da es sich bereits um ein schwebendes Verfahren handelte.

Nach Auffassung des Bundesverbandes hätte der Zweiteiler die Chance einer zeitkritischen Aufarbeitung der Ereignisse um einen der größten Arzneimittel-Skandale in der deutschen Nachkriegsgeschichte haben können. Gerade weil es sich bei dieser Art der Aufbereitung der historischen Ereignisse nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um einen Spielfilm handelt, der ursprünglich im Herbst 2006 im ARD-Programm zu sehen sein sollte, hätte ein breites Fernsehpublikum erreicht werden können. Nach Auffassung des Bundesverbandes hätte die Ausstrahlung eines solchen Films zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen und wichtige Diskussionen über die historischen Ereignisse sowie die aktuellen Lebensumstände der Conterganopfer anstoßen können. Die Bevölkerung geht davon aus, dass contergangeschädigte Menschen finanziell abgesichert und sozial integriert sind. Die mittlerweile aufgetretenen Folgeschäden werden nicht wahr genommen.

Der Bundesverband ist sich durchaus bewusst, dass ein solcher Fernsehfilm starke Emotionen hervorrufen, „verschüttete“ Erinnerungen wachrufen und längst geheilt geglaubte Wunden ankratzen kann. Aus Sicht der Conterganopfer ist es aber auch unumgänglich, derartig emotional behaftete und zwischenmenschlich schwierige Wege zu beschreiten, um die Vergangenheit besser verstehen zu können, für die gegenwärtigen Lebensumstände stärkeres öffentliches Interesse zu wecken und zur Bewältigung der bevorstehenden Altersprobleme neue Kräfte mobilisieren zu können.

Der Bundesverband hat im konkreten Fall auch die nachfolgenden Zweifel: Zwar soll ein Ziel der Produktionsfirma nach den Presseberichten gewesen sein, in einer „dramatischen“ Geschichte die Gegebenheiten der 60 – 70 er Jahre anhand von Menschen zu erzählen, denen „das passiert“ ist. Inwieweit die Firma dabei die öffentliche Faktenlage, die in Büchern, im Internet und von Betroffenenvereinen zu erfahren ist, beachtet, kann seitens des Bundesverbandes nicht beurteilt werden.

In Presseberichten war zwar zu entnehmen, dass einzelne Betroffene, deren Namen dem Bundesverband nicht bekannt sind, beratend am Drehbuch mitgewirkt haben sollen. Doch seitens des Verbandes kann nicht abschließend beurteilt werden, ob gerade diese fiktionale Filmproduktion als Kunstwerk in geeigneter Weise dazu beiträgt, das Thema Contergan adäquat aufzuarbeiten. Unbestritten ist für den Bundesverband, dass eine geeignete Plattform für die Bearbeitung eines derart sensiblen Themas für die Betroffenen gefunden werden muss. Ob jedoch dieser Film eine solche Plattform bieten kann, entzieht sich derzeit unserer Kenntnis, da uns das Resultat der Produktion völlig fremd ist. Auf Nachfrage bei Journalisten, die den Film wohl trotz Sendeverbotes bereits gesehen haben sollen, bestehen Zweifel darüber, ob manche der Ungereimtheiten zum Contergan-Prozess aufgeklärt werden können. Bis heute gibt es zu bestimmten Sachverhalten, wie z.B. zum Prozessausgang, kontrovers geführte Diskussionen, und das nicht nur unter den Betroffenen. Eine abschließende Beurteilung wäre demnach für den Bundesverband dann nur möglich, wenn der Film ausgestrahlt würde. Eine Ausstrahlung gäbe allen Beteiligten die Gelegenheit, sich kritisch und zeitnah mit der Art der Darstellung der Conterganhistorie und den Inhalten des Filmes auseinander zu setzen.

Tatsache ist, dass der Name Grünenthal immer in der Verbindung mit der Contergan-Katastrophe Bestand haben wird. Die Betroffenen werden keine Rücksicht auf eventuelle Firmenschäden nehmen. In diesem Zusammenhang bemerkt der Bundesverband, dass – verfolgt man die aktuellen Zeitungsberichte – in der Auseinandersetzung zwischen Grünenthal und Schulte-Hillen einerseits und dem WDR bzw. der Produktionsfirma andererseits mittlerweile das Schicksal der Betroffenen eine untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr stehen medienrechtliche und finanzielle Interessen im Vordergrund. Es geht hier um viel Geld. Wird der Film nicht ausgestrahlt, werden seitens des WDR und der Firma Zeitsprung hohe Produktionskosten in den Sand gesetzt. Wird er ausgestrahlt, fürchtet die Firma Grünenthal um ihr Firmenimage. Auch Herr Schulte-Hillen verfolgt mit seinem Klagebegehren scheinbar mehr eigene Interessen als Rücksicht auf die Interessen der ursprünglich von ihm einst vertretenen Betroffenen zu nehmen (siehe unten).

Der Bundesverband fordert daher die Kläger auf, alle ihre Klagen gegen den Film zurück zu ziehen.

Zugleich fordert der Bundesverband den WDR und die Firma Zeitsprung auf, die der Dramaturgie geopferten Tatsachenverdrehungen des Filmes soweit wie möglich abzuändern oder / und durch einen entsprechenden Vorspann auf den fiktiven Gehalt ihres Filmes hinzuweisen.

Im Falle der Firma Grünenthal ist der Bundesverband generell der Ansicht, dass die Firma Grünenthal als unbestreitbare Verursacherin des Conterganskandals angesichts der schweren Gesundheitsschäden bei den Conterganopfern die mit der Ausstrahlung des Filmes verbundene Sorge um ihr Firmenimage vor den Interessen der Opfer zurück zu stellen hat.

Der Bundesverband erinnert an dieser Stelle insbesondere daran, dass es zum Conterganskandal nur deswegen gekommen ist, weil die Firma Grünenthal schon damals ihr Gewinnstreben und die Sorge um ihr Firmenimage über die Gesundheitsinteressen der heutigen Opfer gestellt hat.

Auch wurden wir als Bundesverband seitens der Firma Grünenthal bisher nicht gefragt, wie wir selbst zu dem Spielfilmvorhaben stehen.

Vor diesem Hintergrund betrachtet die Mehrheit der im Bundesverband vertretenen Verbände auch trotz der oben aufgeführten Bedenken und Erwägungen hinsichtlich des Für und Wider der Ausstrahlung dieses Spielfilmes über den Conterganskandal die von Grünenthal betriebenen Gerichtsverfahren gegen den Film als eine massive Beeinträchtigung der Interessen von uns Conterganopfern, die in uns allen umso mehr den Wunsch bestärkt hat, den Spielfilm unabhängig von seiner Qualität oder gar Eignung zur Darstellung dieses Themas sehen zu können.

Nur so ist es möglich, dass wir uns mit der Frage beschäftigen können, ob das Genre eines TV-Events zur Darstellung der Conterganhistorie generell geeignet ist.

Nur so können die Opfer – und nicht Grünenthal ! – darüber befinden, ob ihnen die inhaltliche Wiedergabe ihrer eigenen Geschichte anhand der tatsächlich geschehenen und ihnen bekannten Ereignisse zusagt oder nicht.

Entsprechendes gilt für den Rechtsanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen:

Angesichts der Tatsache, dass Herr Schulte-Hillen eine Vielzahl der Contergan-Opfer als Nebenklägervertreter im Alsdorfer Conterganstrafprozess vertreten hat, hätte er nach Meinung der Mehrheit der Mitgliedsverbände des Bundesverbandes vor der Klageerhebung gegen den Spielfilm zumindestens seine ehemalige Mandantschaft befragen sollen, ob sie sich für oder gegen einen solchen Spielfilm ausspricht.

Auch der Bundesverband wurde von Herrn Schulte-Hillen vor Klageerhebung nicht gefragt, wie wir selbst zu dem Spielfilmvorhaben stehen, obwohl Herr Schulte-Hillen früher selbst Mitbegründer und Vorsitzender des Bundesverbandes war.

Gerade, weil sich viele der Kritiker von Herrn Schulte-Hillen in der Vergangenheit immer wieder daran gestoßen haben, dass er seit damals eine Freundschaft zu dem Ex-Grünenthalsyndikus Herbert Wartensleben pflegt, wird unter den Mitgliedern des Bundesverbandes in Zusammenhang mit Herrn Schulte-Hillens Klagevorhaben gegen den Film immer mehr die Frage diskutiert, ob Herr Schulte-Hillen sich seiner ehemaligen Mandantschaft oder eher dieser Freundschaft verbunden fühlt.

Da Herr Schulte-Hillen vom Bundesverband in Kenntnis dieser Freundschaft zu entsprechenden Anlässen trotzdem immer als Ehrenpersönlichkeit vorgestellt wurde, könnte zudem in der Öffentlichkeit der unvermeidliche Eindruck entstehen, dass diese freundschaftliche Verbindung sich auch auf das Verhältnis des Bundesverbandes zu der Firma Grünenthal nieder geschlagen hat.

Die Mehrheit der Mitgliedsverbände des Bundesverbandes fordert daher auch Herrn Schulte-Hillen dazu auf, alle seine Klagen gegen den Spielfilm zurück zu nehmen.

Nur so kann ein Imageschaden beim Bundesverband verhindert werden.

Und nur so wird Herr Schulte-Hillen nach Auffassung der Mehrheit der Mitgliedsverbände des Bundesverbandes zeigen können, ob er noch die Interessen seiner Mandantschaft und der von ihm als Bundesvorsitzenden ehemals vertretenen Betroffenen vertreten möchte oder nicht.

Sollte Herr Schulte-Hillen dies nicht bis zum 6. April 2007 tun, wird sich der Bundesverband in einer weiteren öffentlichen Erklärung von ihm distanzieren.

Der WDR und die Firma Zeitsprung werden vom Bundesverband aufgefordert, die innerhalb des Filmes der Dramaturgie geopferten Tatsachenverdrehungen soweit wie möglich abzuändern oder / und durch einen entsprechenden Vorspann auf den fiktiven Gehalt ihres Filmes hinzuweisen.“

Wie aus der offiziellen Pressemitteilung des Bundesverbandes ersichtlich ist, wurde auch dieser Vorschlag abgelehnt.

Bezeichnend ist auch das Verhalten des damaligen Bundesverbandes in Zusammenhang mit dem 1. Oktober 2007, an dem sich 50. Jahrestag der Markteinführung von Contergan jährte.

Als offizielle Pressemitteilung zu diesem für viele Betroffene wichtigen Ereignis wurde Folgendes veröffentlicht:

Pressemitteilung: 18.09.2007

„50 Jahre Contergan“ ruft Bettler und Drückerkolonnen auf den Plan

Textfeld: –

Am 01. Oktober diesen Jahres jährt sich die Markteinführung des Schlaf- und Beruhigungsmittels „Contergan“ zum 50. Mal. Leider ruft dieser Jahrestag vermehrt Bettler und Drückerkolonnen auf den Plan, die dies zum Anlass nehmen, an den Haustüren zu klingeln und vorgeben für den Conterganverein bzw. für die Conterganbehinderten zu sammeln.

Meist wird zur Legitimation auch kurz ein Ausweis gezeigt, auf dem etwas wie „Verband der Contergangeschädigten ….“ und ein Name zu lesen sind.

Verärgerte Bürger haben sich bereits bei uns beschwert, da das Auftreten dieser Menschen insbesondere im Fall der Zurückweisung sehr massiv und unverschämt wird.

Für unsere ehrenamtliche Arbeit sind wir auf Unterstützung der Mitbürger angewiesen. Solchen Schurken muss daher ganz schnell das Handwerk gelegt werden.

Ich lege Wert auf folgende Feststellung:

· Der Bundesverband Contergangeschädigter e.V. stellt grundsätzlich keinerlei Ausweise aus.

· Jegliche zur Geschäftstätigkeit erforderlichen Dokumente und Vollmachten beschränken sich ausschließlich auf den Vorstand.

· Wir veranstalten keinerlei Sammlungen oder Haustürgeschäfte und schicken hierzu auch keine Mitarbeiter auf die Straße.

· Betteleien in unserem Namen lehnen wir ab, sie dienen nicht dazu, unseren Mitgliedern tatsächliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

Sie würden unsere Arbeit außerordentlich unterstützen, wenn Sie die Öffentlichkeit hierüber informieren würden. Ich bin auch gerne bereit, an einem kleinen Beitrag persönlich mitzuwirken.“

Nach dem sie dies lesen mußten, fragten sich viele Geschädigte, wer hier eigentlich geschützt werden soll; die Öffentlichkeit vor betrügerischen Drückerkolonnen oder die Firma Grünenthal vor der historischen Auseinandersetzung mit dem 50. Jahrestag der Markteinführung von Contergan?

Die Pressemitteilung konnte früher noch auf der Webseite des Bundesverbandes nachgelesen werden.

Während andere Geschädigte zum 50. Jahrestag eine Mahnwache vor den Toren Grünenthals organisierten oder andere Aktivitäten entwickelten, handelte der Bundesvorstand – wie immer, wenn es um für Grünenthal kritische Aspekte geht – nach dem Motto „Begünstigen, Aussitzen, Ausharren und Verdrängen“.

Erst nach dem Grünenthals Geschäftsführer Sebastian Wirtzaufgrund des öffentlichen Drucks in Zusammenhang mit der umfangreichen Medienwoche um den Anfang November 2007 dann doch gesendeten Conterganfilm den Conterganopfern Gesprächsangebotemachte, beeilte man sich im damaligen Bundesvorstand, diese Gespräche als Erster zu führen.

Auch wollte der damalige Bundesvorstand das am 7.12.2007 statt gefundene Gespräch mit Sebastian Wirtz alleine führen, ohne sich zuvor mit seinen Mitgliedsverbänden abzusprechen, obwohl vielfach der Wunsch einer vorherigen Absprache geäußert wurde.

Ein vorheriges Gespräch mit dem BCG wurde von der ehemaligen Bundesvorsitzenden Margit Hudelmaier abgelehnt.

Der diesbezüglich Schriftwechsel_BV_und_BCG_Gespraechstermin_2007 kann hier als PDF-Datei herunter geladen werden.