DER WEIHNACHTLICHE GABENTISCH DES BUNDESFAMILIENMINISTERIUMS
NACHLESE DER 108. STIFTUNGSRATSSITZUNG
DER CONTERGANSTIFTUNG AM 5.12.2018
VOM 23.12.2018
Originaldokument:
Der_weihnachtliche_Gabentisch_des_BMFSJ.pdf (85kB)
Anlagen:
TOP1_Tagesordnung 108. Sitzung_Entwurf.pdf (10kB)
Richtlinien_Contergan.pdf (103kB)
16.01.20.Gutachten Schindler.pdf (1419kB)
TOP 12_Antrag_ChristianStuermer_Expertisen_Hinterbliebenversorgung.pdf (41kB)
TOP 19_Protokoll_107. Stiftungsratssitzung_Öffentlicher Teil_mit Unterschriften.pdf (2494kB)
2015_07_21_Protokoll_Stiftungsratssitzung_mit_Aenderungen.pdf (6802kB)
15_U_85_17_Meyer_vs_Schucht_Urteil_OLG_Koeln_vom_12_04_2018_rechtskraeftig.pdf (818kB)
TOP 7_Beschlussvorlage_Historische Aufarbeitung der Arbeit derConterganstiftung.pdf (6kB)
TOP 7_ChristianStuermer_wissenschaftliche_Aufarbeitung.pdf (41kB)
TOP9_Beschlussvorlage_Rechtsanwaltskosten bei Organstreitverfahren.pdf (84kB)
ordentliches Mitglied im Stiftungsrat
der Conterganstiftung für behinderte MenschenDer hiesige Beitrag beschränkt sich auf die für den Autor wesentlichen Aspekte der 108. Stiftungsratssitzung. Der Autor hat versucht, diese satirisch zusammenzutragen. Daher besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit und chronologische Darstellung. Hierzu wird auf das diesbezügliche Protokoll der obigen Sitzung verwiesen.Da der Originalbeitrag Fußnoten enthält und aus technischen Gründen keine Fußnoten wiedergegeben werden können, sollte zum besseren Verständnis unbedingt das oben downloadbare Originaldokument gelesen werden.
Ebenfalls oben heruntergeladen werden können sämtliche Anlagen, auf die in dem Dokument in Fußnoten verwiesen wird.
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Der Inhalt ist jedoch mit dem originalen Inhalt identisch.
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Manch einem von uns standen die Tränen in den Augen!
Denn das hat niemand von uns erwartet!
Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) in segensreicher Weihnachtsstimmung!
Und die Geschenke waren üppig, voll ergreifender Wertschätzung und wie gewohnt mit einem überaus filigranem Feinsinn für alle heimlichen Wünsche der Contergangeschädigten!
Und mit was allem wurden wir nicht einen Tag vor Nikolaus überhäuft:
Wochenlang standen die Betroffenenvertreter in adventszeitlicher Vorfreude auf eine Zustimmung zu einem neuen und weiteren Vorstandsmitglied, das die Arbeit der beiden Vorstandsmitglieder Margit Hudelmaier und Marlene Rupprecht entlastet.
Doch nein!
Man teilte uns erst in der Sitzung mit, dass Frau Rupprecht aus gesundheitlichen Gründen das Amt als Vorsitzende des Stiftungsvorstandes verlassen wolle.
Und um das dadurch entstehende Vakuum im Vorstand nachhaltig auffüllen zu können, trat nun begleitet von Engelsklängen aus dem Zuschauerraum überraschend der frühere Stiftungsratsvorsitzende und Verantwortliche für das Systems der spezifischen Bedarfe Dieter Hackler (BMFSFJ) hervor.
Vermutlich um das Wunder seiner lazarus’schen Wiedererweckung erklären zu können, erinnerte er uns bei seiner persönlichen Vorstellung daran, dass er einmal Theologe war.
Dabei kam er auch ins Schwelgen bei den Erinnerungen an die gute Zusammenarbeit mit Margit Hudelmaier in früheren Zeiten.
Ich als Betroffenenvertreter schwelgte gleichzeitig in Erinnerungen an das im Schindler-Gutachten 2016 dem System der spezifischen Bedarfe attestierte Feuerwerk an fachjuristischer Kompetenz.
Das Ergebnis der Aussprache zum Veranstaltungsort kommt wohl der bewusst versteckten Verkündigung eines alsbald von uns zu erlebenden weihnachtlichen Wunders gleich:
Denn mit der Stimmenmehrheit der Ministerienvertreter werden in Zukunft die Stiftungsratssitzungen nur noch in Berlin stattfinden.
Das nährte in mir die für uns alle tröstliche Hoffnung, dass mit dem auf uns hernieder gehenden, weihnachtlichen Segen wir alle wohl auch von unseren Mobilitätsschwierigkeiten erlöst werden.
Dass dieses baldige Wunder wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird, wurde für mich deutlich, als der Stiftungsratsvorsitzende Christoph Linzbach (BMFSFJ) es sogar ablehnte, darüber abstimmen zu lassen, die Stiftungsratssitzungen in Zukunft auf Video aufnehmen zu lassen, damit auch die in ihrer Mobilität besonders eingeschränkten Conterganopfer die Stiftungsratssitzung bundesweit live mitverfolgen können.
Als dann auch noch Margit Hudelmaier und Marlene Rupprecht anlässlich der Ablehnung unseres Video-Vorschlages schwiegen, war ich mir 100-prozentig sicher, dass ich nach dem 24. Dezember nicht nur auf Wasser gehen kann sondern der Heilige Geist mir auch die redbull’schen Flügel verleihen wird, damit ich in Zukunft bequem nach Berlin anreisen kann.
Mit göttlichem Segen sollen wohl auch unsere Hinterbliebenen beseelt werden, die uns immerhin ein Leben lang versorgt haben:
Denn mit der Mehrheit der Ministerienvertreterstimmen wurde der Antrag meines Kollegen und Betroffenenvertreters Christian Stürmer abgelehnt, durch die Stiftung eine Expertise zur „Hinterbliebenenversorgung von Angehörigen“ beim Gerontologische Institut der Universität Heidelberg in Auftrag zu geben.
Begründung: Die Betroffenenvertreter mögen sich diesbezüglich doch an die Politik wenden.
Der theologisch vorgebildete Dieter Hackler (BMFSFJ) wird unseren Hinterbliebenen vermutlich glaubhaft machen können, dass es zur Erlangung des göttlichen Segens besser ist, ein Leben lang zu geben, als nur 1 Sekunde lang zu nehmen.
Unter dem Tagesordnungspunkt „Bericht des Vorstandes mit Aussprache“ bat ich um Auskunft, ob denn die u.a. in der 107. Stiftungsratssitzung vom 23.5.2018 beschlossene Klarstellung des Abschlussberichts zur Aufklärung des angeblichen „Aktenfundes Grünenthal“ durch die damit beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Stockmann & Kollegen erfolgt sei.
Aus der beschlossenen Klarstellung zum angeblichen „Aktenfund Grünenthal“ sollte nämlich hervorgehen, dass es zwischen 1972 und mindestens 1983 Alltag und allgemeine Arbeitspraxis in der Stiftung war, dass sowohl seitens der Mitarbeiter der Geschäftsstelle als auch seitens der Mitglieder der Medizinischen Kommission die medizinischen Unterlagen der Conterganopfer an die Adresse der Firma Grünenthal gesandt wurden.
Aus den sich erinnernd verdutzten Gesichtern des Vorstands und des Stiftungsrats-vorsitzenden (BMFSFJ) entnahm ich, dass man wohl seit dem 23.5.2018 so sehr mit dem Einkauf von Weihnachtsgeschenken beschäftigt war, dass man dies einfach vergessen hat.
Jedenfalls wurde mir zugesichert, die genannte Klarstellung in den Abschlussbericht zu implementieren und den Bericht mit dieser Klarstellung auf der Webseite der Conterganstiftung zu veröffentlichen.
Wahrscheinlich wurde durch das Schreiben von etlichen Weihnachtskarten zum Weihnachtsfest 2018 auch die zügige Umsetzung der bereits 2015 von Frau Rupprecht gemachten Zusage vergessen, dass Grünenthal die Kosten für die anlässlich des angeblichen „Aktenfundes Grünenthal“ notwendig gewordenen Tätigkeiten der Kanzlei Stockmann & Kollegen übernehmen müsse.
In adventzeitlicher Besinnlichkeit hielt Frau Rupprecht meiner diesbezüglichen Nachfrage entgegen, dass doch aus den Kreisen der Geschädigten (und mir) geäußert worden sei, dass der Vorstand keine Gelder von Grünenthal annehmen solle.
Scheinbar fiel ihr dann wohl wieder ein, dass ein Regress gegenüber Grünenthal für die notwendigen Leistungen der Kanzlei Stockmann & Kollegen wohl etwas anderes ist als eine freiwillige von Grünenthal womöglich interessenbasierte Zahlung von Geldern für das Internetportal und die ebenfalls von Grünenthal übernommene (Teil)Bezahlung der Gutachter der Medizinischen Kommission.
Denn an dieser Stelle verließ sie kurz den Sitzungssaal.
Nachdem Frau Rupprecht wieder anwesend war, kam dann bald die Frage auf, ob denn der Vorstand bei der Übersendung der bei Grünenthal „gefundenen“ Akten in seinem diesbezüglichen Anschreiben ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hat, dass nur die Betroffenen selber – und nicht die Conterganstiftung! – aufgrund des Aktenskandals Strafanzeige gegen Herrn Wartensleben stellen können.
Frau Rupprecht versicherte, dass das jeweilige Anschreiben darauf aufmerksam gemacht habe.
Nach meinem Einwand, dass jedenfalls das mir zugesandte Schreiben eine solche rechtlich bedeutende Information nicht enthalten habe, sang man mir das vorweihnachtliche Lied der ewiglichen Zusicherung, dieses bis zur nächsten Stiftungsratssitzung prüfen zu wollen.
Bei den Tagesordnungspunkten „Veröffentlichung des Urteils des OLG Köln vom 15.2.2018 zusammen mit einer Presseschau zu diesem Urteil im Info-Portal“, „Erweiterung des Prüfungsauftrages GSK Stockmann“ und „Historische Aufarbeitung der Arbeit der Conterganstiftung in Vorbereitung des Stiftungsjubiläums 2022“ wurden wir mit einem besonders wertvollen Geschenk beseelt:
Wir durften durch Akte tätiger Absolution die von Gott allen Menschen zuteil gewordene Vergebung an das Bundesfamilienministerium weitergeben und auf diese Weise das „Evangelium im Kleinen“ praktizieren.
Den ersten überzeugenden Schritt zur inneren Erweckung des dafür nötigen Großmuts ermöglichten uns die 3 Ministerienvertreter durch deren mehrheitliche Ablehnung meines Antrages auf Veröffentlichung des Verflechtungsurteils des OLG Köln vom 12.4.2018 mit einer Presseschau in der Rubrik „Contergan-Historie“ auf der Webseite der Conterganstiftung (Info-Portal).
Sanft wurde ich vom Stiftungsratsvorsitzenden (BMFSFJ) darauf hingewiesen, dass dieser Rechtsstreit für die Stiftung von keiner grundsätzlichen Bedeutung sei.
Mein schüchterner Einwurf, dass die Prozessbeteiligten gleichzeitig auch ein Vorstandsmitglied und ein Stiftungsratsmitglied der Conterganstiftung gewesen seien und der Streitgegenstand von historischer und dadurch besonderer Bedeutung sei, weil das Urteil Verflechtungen zwischen der Conterganstiftung und der Firma Grünenthal festgestellt hat, wurde schließlich durch das Abstimmungsergebnis (s.o.) reinlich wegabsolutiert.
Ein weiterer Schritt und damit ein noch größerer Spalt zu den himmlischen Welten der selbst praktizierten Gnade und Vergebung wurde uns durch die mehrheitliche Ablehnung meines Antrags auf Erweiterung des Prüfungsauftrages der Rechtsanwaltskanzlei GSK Stockmann & Kollegen vom 9.11.2018 der 3 Ministerienvertreter eröffnet.
Ich hab es so gedeutet, dass es dem Stiftungsratsvorsitzenden (BMFSFJ) zu wenig gnadenvoll erschien, GSK Stockmann & Kollegen untersuchen und dann auch noch einen Gesetzentwurf vorlegen zu lassen, wie die Aufsicht über die Conterganstiftung dem Bundesfamilienministerium entzogen und auf ein anderes Ministerium übertragen werden kann.
Aber vielleicht greift dieser Punkt zu sehr in die Vergebenshoheit der Bundesregierung ein, weil selbstverständlich nur höhere Wesen die ganze Welt mit sich selbst versöhnen dürfen.
Ein Sakrileg meinerseits dürfte wohl auch mein Begehren gewesen sein, dass kein Ministerialbeamter oder Mitarbeiter bzw. Staatssekretäre des Bundesfamilienministeriums und auch nicht der oder die amtierende Bundesministerin sowie die Mitglieder der Organe der Conterganstiftung, der Geschäftsstelle und der Medizinischen Kommission Einfluss auf das Ergebnis des erweiterten Prüfungsauftrages nehmen und nehmen können.
Denn auch dies war dem Stiftungsratsvorsitzenden (BMFSFJ) ein Dorn im Auge.
Jedenfalls haben die 3 Ministerienvertreter diesen Antrag nach meiner tiefen vorweihnachtlichen Überzeugung ohne jegliche Interessenkollision frei und im Interesse aller Conterganopfer abgelehnt.
Nachdem auf diesem etwas speziellen Ablassweg meine Beschlussvorlage zur Zufriedenheit der Ministerienvertreter geopfert wurde, verlieh man uns großzügig als Glorienschein den Vorschlag des Stiftungsratsvorsitzenden (BMFSFJ), doch die Kanzlei Stockmann & Kollegen um die Abgabe eines Kostenangebots für eine Erweiterung des Prüfungsauftrages zu bitten:
Empathischerweise unter Berücksichtigung der Punkte I. bis XI. meiner obigen Beschlussvorlage!
Aber um des Christkindls Willen bloß nicht mit den Punkten XII. und XIII.!!!
Einen Augenblick habe ich mich gefragt, warum denn der Stiftungsratsvorsitzende (BMFSFJ) ein solches Angebot der Kanzlei Stockmann & Kollegen nicht bereits zur gegenwärtigen Stiftungsratssitzung vorgelegt hat.
Immerhin hat er nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Geschäftsordnung des Stiftungsrates die jeweilige Stiftungsratssitzung vorzubereiten.
Kurz kam mir der Gedanke, ob und für wen auch immer man damit Zeit gewinnen wollte.
Ohne es zunächst zur merken, suchte ich instinktiv in meiner Erinnerung nach der Bedeutung des Begriffes „Korruption“.
Ich grübelte:
Versteht nicht das Bundeskriminalamt unter Korruption den „Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines Anderen, auf dessen Veranlassung oder Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit (in amtlicher oder politischer Funktion) oder für ein Unternehmen (betreffend Täter als Funktionsträger in der Wirtschaft)“?
Heißt nicht das lateinische Wort „corruptio“ übersetzt „Verderbnis“ oder „Verdorbenheit“ oder gar „Bestechung“ oder „Bestechlichkeit“ … ?
Auf einmal hörte ich in mir eine Stimme:
„Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Erfüllt von dieser eindringlichen Aufforderung stimmten mein Kollege und ich diesem Ablass trächtigen Vorschlag des Stiftungsratsvorsitzenden (BMFSFJ) bezüglich der Vorlage eines Kostenangebotes durch Stockmann & Kollegen zu.
Beim Tagesordnungspunkt „Historische Aufarbeitung der Arbeit der Conterganstiftung in Vorbereitung des Stiftungsjubiläums 2022“ legte uns der Stiftungsratsvorsitzende (BMFSFJ) in geradezu überschwänglicher Geberlaune – vermutlich als höchste Stufe der dem Menschen möglichen Absolution – das wertvolle Geschenk der Gnadenbefugnis nahe:
Zusammen mit den anderen 3 Ministerienvertretern sollten die beiden Betroffenenvertreter der Beschlussvorlage des BMFSFJ zustimmen, dass „in Vorbereitung des 50-jährigen Stiftungsjubiläums im Jahr 2022 eine historische Aufarbeitung der Arbeit der Conterganstiftung in Auftrag gegeben werden soll“.
Natürlich geht das nur mit einer völlig unabhängigen Ausschreibung und mit einem völlig unabhängigen Institut einer ganz und gar freien Universität …
Dabei hob der Stiftungsratsvorsitzende (BMFSFJ) in beispielhaften Schlaglichtern hervor, was bei diesem Jubiläum zu feiern sein könne.
Anlass ist jedenfalls das – vielleicht für den Stiftungsratsvorsitzenden oder besser gesagt: für das Bundesfamilienministerium und Grünenthal – große Wunder der Geburt der Conterganstiftung am 31. Oktober 1972.
Mit dieser Conterganstiftung durften viele Conterganopfer von 1972-2013 im wesentlichen am Hungertuch der Sozialhilfe nagen, während Grünenthal und ihre Schwesterunternehmen sich in voller Blüte entfalten konnten.
Und ich muss gestehen, mir kam feierlich die weihnachtliche Liedstrophe in den Sinn:
„Oh Du fröhliche, oh Du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit!
Christ ist erschienen,
uns zu versühnen:
freue, freue Dich, oh Christenheit!“
Leider mussten mein Kollege Christian Stürmer und ich als Betroffenenvertreter dieses wohl gewählte Geschenk ablehnen.
Zum einen wurde den Conterganopfern bereits ein ähnliches Geschenk gemacht.
So nutzte die Westfälische Wilhelms-Universität Münster die ihr vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW (MGEPA NRW) in Form der Auftragserteilung für die NRW-Studie 2016 verliehene Gnadenbefugnis gleich zweimal:
Sie sprach nicht nur Grünenthal sondern auch die Landesregierung NRW von jeglichem Vorwurf der Korruption als Missbrauch einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit frei.
Natürlich war auch hier die Universität völlig unabhängig und ganz und gar frei …
So frei, dass zur Untersuchung des schon immer im Raume stehenden Vorwurfs der Korruption in dem die NRW-Studie 2016 begleitenden Wissenschaftlichen Beirat kein Kriminologe, Kriminalwissenschaftler oder Beamter des Bundeskriminalamtes dabei war.
Völlig besoffen vom Erklimmen der schwindelnden Höhen dieser Art von freier Wissenschaft mochten die beiden Betroffenenvertreter zu diesem Tagesordnungspunkt nur noch der dankenswerter Weise von Christian Stürmer eingebrachten Beschlussvorlage ihre Stimme geben.
Christian Stürmer beantragte in seiner Beschlussvorlage, dass ein Gremium bestehend aus den beiden Betroffenenvertretern sowie „einer historisch versierten Person, einer Journalistin oder einem Journalisten; fernerhin einer Juristin oder einem Juristen mit der Befähigung zum Richteramt, entsprechend als Vorsitzende(r)“ gebildet wird.
Na klar: Wenn Grünenthal und die Landesregierung NRW die ihnen gefällige Wahrheit zum Conterganskandal „wissenschaftlich“ zurechtbiegen lassen können, dann müssen wir verhindern dürfen, dass unsere Geschichte erneut verklittert wird!
Aus diesem Grunde: Die Bestellung der Personen des Gremiums sollten „jeweils gemäß eines gemeinsamen Vorschlags der beiden Betroffenenvertreter durch den Stiftungsrats-vorsitzenden“ erfolgen.
Vermutlich war die Beschlussvorlage Aufarbeitung Stürmer 2018 für die 3 Ministerienvertreter von einer zu geringen Chance auf Absolution geprägt, weswegen man sie mit dem Hinweis der Notwendigkeit der gewohnten, völlig unabhängigen Ausschreibung und mit einem völlig unabhängigen Institut einer ganz und gar freien Universität (…) ablehnte.
Letztendlich konnten die Betroffenenvertreter durchsetzen, dass die Gestaltung des Studienprofils, die Auswahl des Instituts bzw. der Universität sowie die Vergabe des Auftrags nur im Einvernehmen mit den Betroffenenvertretern erfolgen darf.
Halleluja!
Abschließend ist noch die vom BMFSFJ vorgelegte Beschlussvorlage zu Top 9 „Rechtsanwaltskosten bei Organstreitverfahren“ zu erwähnen:
Hier nach sollte der Stiftungsrat zustimmen, „dass etwaige über die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hinausgehende Auslagen für eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt im Falle von Organstreitigkeiten bis zu einem Stundensatz von 400 Euro übernommen werden sollen. Der Zeitaufwand muss hinsichtlich des Arbeitsaufwandes und des Tätigkeitsnachweises nachvollziehbar dargelegt werden“.
Als Begründung wurde angeführt:
„Durch einen Beschluss zur Kostenerstattung bei Organstreitverfahren kann eine Grundlage geschaffen werden, die für alle Organe und Organteile der Conterganstiftung für behinderte Menschen gleichermaßen gilt.
Es wird klargestellt, dass etwaige über die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hinausgehende Auslagen für eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt erstattungsfähig sind. Hierfür werden Rechtsanwaltskosten bis zu einem Stundenhonorar von maximal 400 Euro erstattet.“
Diese in dankenswerter Weise eingebrachte Beschlussvorlage führt zur Waffengleichheit in juristischen Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Organen und Organteilen der Stiftung (Vorstand, Stiftungsratsvorsitzender und Stiftungsratsmitglieder), sodass auch die Betroffenenvertreter sich bei Organstreitigkeiten innerhalb der Stiftung einer Anwaltskanzlei mit einem Honorar von 400 € pro Stunde beauftragen können.
Eigentlich wollte ich spontan zustimmen.
Jedoch sprach es in mir:
„Du kannst nicht mir dienen und dem Mammon!“
Dies ließ mich über die Vorzüge von Himmel und Hölle nachdenken.
Bei näherer Betrachtung entschied ich, der Hölle den Vorzug zu geben.
Immerhin sind dort vermutlich die interessanteren Menschen.
Aber ganz sicher werde ich dort bis in alle Ewigkeit in Kerberos ein liebenswertes Streicheltier haben, das mir in Erwartung meiner Liebkosungen seine vielen Köpfe entgegen recken wird.
Angesichts dieser Glücks verheißenden Erkenntnis stimmte ich der Beschlussvorlage zu und beschloss, insbesondere diesen schnöden Mammon ausgiebig zu nutzen.
Frohe und besinnliche Weihnachten!
Andreas Meyer
Der hiesige Beitrag beschränkt sich auf die für den Autor wesentlichen Aspekte der 108. Stiftungsratssitzung. Der Autor hat versucht, diese satirisch zusammenzutragen. Daher besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit und chronologische Darstellung. Hierzu wird auf das diesbezügliche Protokoll der obigen Sitzung verwiesen.
Da der Originalbeitrag Fußnoten enthält und aus technischen Gründen keine Fußnoten wiedergegeben werden können, sollte zum besseren Verständnis unbedingt das oben downloadbare Originaldokument gelesen werden.
Ebenfalls oben heruntergeladen werden können sämtliche Anlagen, auf die in dem Dokument in Fußnoten verwiesen wird.
Aus technischen Gründen mussten die Originalnamen der Dokumente leicht verändert werden.
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