DIE BETROFFENENVERTRETER IM STIFTUNGSRAT
DER CONTERGANSTIFTUNG FÜR BEHINDERTE MENSCHEN
BETTINA EHRT, UDO HERTERICH, ANDREAS MEYER, CHRISTIAN STÜRMER

Erklaerung_der_Betroffenenvertreter_im_Stiftungsrat_14.08.2015.pdf (25kB)

An den
Vorsitzenden des Stiftungsrates der
Conterganstiftung für behinderte Menschen
– Herrn Christoph Linzbach –
c/o Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin

für eine Zusammenarbeit im Stiftungsrat erforderliche Essentials

Sehr geehrter Herr Linzbach,
sehr geehrte Damen und Herren!

In grundsätzlicher Hinsicht sind wir mit dem Umgang mit uns im Stiftungsrat nicht einverstanden. In diesem Gremium besitzen die Ministerienvertreter gegenwärtig schon die Mehrheit und so ist für eine Zusammenarbeit erforderlich, dass einige Essentials vereinbart werden:

1.) Terminierungen und Ort der Stiftungsratssitzungen

a) Wir fordern, dass bezüglich einer anstehenden Sitzung jeweils 3 Termine vorgeschlagen werden und jeweils der genommen wird, der die meisten Zustimmungen erhält.

b) Als Sitzungsort soll – wie auch bisher normalerweise gehandhabt – der Sitz der Stiftung dienen; es sei denn, die Mehrheit unseres Gremiums, hierunter mindestens ein Betroffenenvertreter, stimmt einem anderen Ort zu.

Begründung:

Das jüngste Beispiel der Terminfindung zeigt eindrücklich, wie rücksichtlos mit uns umgegangen wird. So wird ernsthaft vorgeschlagen, 2 kurz aufeinander abfolgende Termine in Berlin abzuhalten – und zwar am 25. und 30.11.2015. Das würde
bedeuten, dass die Betroffenenvertreter und auch die Conterganopfer entweder 2 Mal im November nach Berlin reisen oder dort in dieser Zeit bleiben müssten. Schwerbehinderten Menschen, großteils mit Assistenzbedarf, werden damit völlig
unbegründet Beschwerlichkeiten aufoktroyiert, die darauf abzuzielen scheinen, die Beteiligungen der Conterganopfer und ihrer Betroffenen an den Sitzungen so gering wie möglich zu halten. Das kann so nicht akzeptiert werden!

2.) Tagesordnung

Wir verwahren uns dagegen, dass unsere Anträge willkürlich, auf der Tagesordnung dahin geschoben werden, wo sie aufgrund der gleichfalls willkürlich festgelegten Sitzungszeit keine Chance haben, an dem jeweiligen Tag behandelt zu werden. Wir fordern eine chronologische Abarbeitung der Anträge und zwar in der Reihenfolge der Eingänge.

Begründung

Wenn wir Betroffenenvertreter schon keine Chance haben eine eigene Mehrheit im Stiftungsrat zu bilden, empfinden wir es als schlicht ungehörig, dass wir noch nicht einmal die Gelegenheit haben, dass vorzutragen, was uns für die Betroffenen als wichtig erscheint. Ein fairer Abarbeitungsfluss der Anträge ist unabdingbar.

3.) Videoaufzeichnung

Ab der nächsten Sitzung verlangen wir eine Videoaufzeichnung aller Stiftungsratssitzungen und Veröffentlichung auf der Homepage der Conterganstiftung

Begründung

Conterganopfer sind schwerstbehinderte Menschen. Es ist bekannt und allseits anerkannt, dass sie unter erheblichsten Spät- und Folgeschäden leiden, ferner erheblichste Schmerzen haben. Die Conterganstiftung soll für die Conterganopfer da sein. Contergangeschädigte sollen wissen dürfen, was in „ihrer“ Stiftung geschieht. Dieser Gedanke wird durch allgemein behindertenrechtliche Faktoren aus der UNBehindertenrechtskonvention und dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit getragen. Als öffentlich rechtliche Stiftung ist die Conterganstiftung insoweit klar verpflichtet und so sind entsprechende Vorrichtungen künftighin obligatorisch.

3.) Aufhebung der Beschlüsse aus TOP 3 der 98. Stiftungsratssitzung

Die Geschäftsordnung ist in ihrer bisherigen Fassung zu belassen und die Beschlüsse aus TOP 3 der 98.Stiftungsratssitzung, wonach Frist und Formvorschriften eingeführt werden sollen, aufzuheben.

Begründung

Wenn die Ministerienvertreter zur Abarbeitung ihrer spezifischen Stiftungsbelange über große Apparate verfügen, sind die Betroffenenvertreter auf sich alleine gestellt. Weiterhin ist beachtlich, dass selbst von Seiten der Stiftung und des Ministeriums wesentlichste und umfangreiche Stiftungsratsvorlagen um 17.36h an einem Freitag für die am folgenden Dienstag in Berlin stattfindende Sitzung per Email verteilt wurden. Hieraus ergibt sich, dass die ausgedachten und „beschlossenen“ Form- und Fristvorschriften lediglich als zusätzliche Hindernisse bezüglich der Betroffenenvertreter existieren.

Überdies kann nicht hingenommen werden, dass In einer Abstimmung Enthaltungen zu Nein-Stimmen umdeklariert werden, weil dies hieße, den mit der entsprechenden Stimmabgabe normalerweise gewollten Erklärungswillen die Grundlage zu entziehen: Wer mit „Ja“ stimmen möchte, ist für einen Antrag, wer mit „Nein“ stimmt dagegen und wer sich enthalten möchte, will in der Regel, dass die entsprechende Stimme weder bei den Ja-Stimmen, noch Nein-Stimmen mitgezählt wird. Eine Wertung einer Enthaltung als Nein-Stimme verhindert insbesondere, dass der Abstimmende zu seiner Ablehnung eines Antrages stehen muss. Die Person kann „Neutralität“ vorgeben und sich „enthalten“, wohl wissend, dass er in Wirklichkeit mit „Nein“ stimmt. Hierdurch wird das Bild – vor allem beachtlich: den Conterganopfern gegenüber – verfälscht und kann aus Sicht der Betroffenenvertreter so nicht akzeptiert werden.

Der Umgang im Stiftungsrat hat „auf Augenhöhe“ zu erfolgen und von daher sind die vorgenannten Regeln, solange die Conterganbetroffenen im Stiftungsrat in der Minderheit sind, unabdingbar.

Wir bitten um entsprechende Disposition und Nachricht!

Herr Christian Stürmer wurde von uns beauftragt, Ihnen dieses gemeinsame Schreiben zuzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Die Betroffenenvertreter im Stiftungsrat
der Conterganstiftung für behinderte Menschen
Bettina Ehrt, Udo Herterich, Andreas Meyer, Christian Stürmer